Hack dich glücklich
Gärtnern entspannt und hält uns auch total fit. Meistens jedenfalls. Denn offenbar hängt der sehr positive Effekt davon ab, welcher Gärtner-Typ ich bin
Dass ein Trend in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, merkt man, wenn er sich in den Katalogen von Aldi und Ikea findet. Gärtnern ist da gut dabei. So lerne ich von einer Landschaftarchitektin, die für Ikea Ideen entwickelt, wie man Grün in die Wohnung holt, dass Zimmerpflanzen entspannend sind. Richtige Gärten sind noch entspannender, deswegen habe ich ja meinen „Arthur“von „Meine Ernte“am Friedberger See gepachtet. Und tatsächlich ist es mit das Entspannendste in diesem Sommer, nach der Arbeit zu hacken, gießen, ernten und dann eine Runde im See zu schwimmen. Danach geht es heim, den Korb voll Gemüse. Sehr befriedigend. Ich brauche nicht den Ikea-Katalog oder Psychologie heute, um das zu wissen. In Letzterem habe ich aber gelernt, dass es sich um mein „eudämonisches Wohlbefinden“handelt. Hört sich nicht so gemütlich an, bedeutet aber, dass ich das Gefühl habe, etwas Erfüllendes zu tun und nach meinen eigenen Maßstäben zu leben.
Manchmal wird es ein bisschen viel Erfüllendes, sodass der stressreduzierende Effekt schrumpft, den jede Studie der Gartenarbeit bescheinigt (Blutdruck niedriger, Puls langsamer, Herzinfarktrisiko geringer). Am Samstag gieße ich den Balkon meiner urlaubenden Nachbarn, nachdem ich bei meinem eigenen die eklatantesten Probleme beseitigt habe. Nachher gehe ich im Park vorbei, wo ich mit Freunden (die in Urlaub sind) zwei Big Packs bewirtschafte, Pflanztröge, die das Grünamt aufgestellt hat. Hier muss ich die kranke Gurke versorgen – und gießen. Bevor ich losfahre, um bei einer netten Frau Bohnenkraut für meinen „Arthur“zu holen, fällt mir ein, dass ich meinen eigenen Balkon auch gießen sollte. Bei „Arthur“tragen die Tomaten so, dass ich sie neu hochbinden muss, vom Ernten ganz zu schweigen. Aber das Bad im See danach ist so schön wie Urlaub, das lässt mich alles vergessen. Denn trotz des GartenOverkills ist Gärtnern einfach toll.
Was einem Spaß macht, hängt offenbar davon ab, welcher Gärtnertyp man ist. Das Marktforschungsinstitut (!) GIM hat vier Gärtnertypen ausgemacht: „Naturnahe“, „Perfektionisten“, „Genießer“und „Pragmatiker“. Naturnahe sehen ihren Garten als selbstregulierendes Biotop und Ausgleich zum Job, Genießer als Wellness-Oase, die wenig Arbeit machen soll. Pragmatiker empfinden Gärtnern als Pflicht und wollen mit akzeptablem Aufwand maximalen Erfolg. Perfektionisten wollen Kontrolle und sehen den Garten als Ausdruck ihrer gepflegten Persönlichkeit. Letzteres erinnert mich an eine Bekannte aus Kindertagen, die uns immer ihre Stauden schenkte, wenn ihre zu groß (also mehr als fünf Stängel) wurden. Die erwähnte Ikea-Expertin würde es mir übrigens ganz leicht machen. Für alle, die Gärtner-Feeling ohne Arbeit wollen, empfiehlt sie, „Fejka“in Holzkästen zu setzen. Das ist kein pflegeleichter Salat, sondern eine Plastikpflanze. Auweia!
„Der kürzeste Weg zur Gesundheit ist der Weg in den Garten.“
Gärtner Pötschke
***
Ute Krogull, 45, ist Balkongärtnerin. Dann pachtete sie ein Grundstück von „Meine Ernte“am Friedberger See. Die Kolumne darüber finden Sie alle zwei Wochen im Lokalteil.