Der Glaube führte sie nach Afrika
Seit elf Jahren lebt die Derchingerin Anni Lechner in einem Dorf in Kamerun
Friedberg Derching Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen. Und dann komm und folge mir nach – diese Worte aus der Bibel prägen Anni Lechners Leben bis heute. Mit 24 Jahren besuchte die Derchingerin zum ersten Mal Fontem, ein Dorf im Westen von Kamerun, um den Menschen vor Ort zu helfen. Mittlerweile lebt die 44-Jährige seit elf Jahren dort und arbeitet im örtlichen Krankenhaus. Für ein Leben im Glauben gab sie einiges auf, was ihr wichtig war. Doch sie bekam auch viel zurück.
„In Fontem herrscht ein vertrauensvolles Miteinander“, sagt Anni Lechner. Die christlichen Werte seien stark verankert und würden gelebt. Doch das Evangelium zu leben war nicht immer ihr Ziel. Zwar wuchs Anni Lechner im christlichen Glauben auf, ihr Vater war Mitglied im Kirchenchor, ihre Mutter Mesne- rin. Aber oft besuchte sie den Sonntagsgottesdienst, um mit einer Freundin zu ratschen. „Ich wollte Ministrantin werden, aber das durften damals nur Buben“, erinnert sich die 44-Jährige. „Trotzdem war der Glaube immer da.“
In ihrer Jugend war Anni Lechner viel unterwegs, zog von einer Feier zur nächsten. Sie lernte bei Bürobedarf Wagner in Derching, absolvierte eine Sekretärinnenausbildung in München und arbeitete danach in Augsburg. Ihr damaliger Freund wollte sie heiraten. Doch das war nicht das Leben, nach dem sie sich sehnte. „Irgendetwas fehlte“, so die Derchingerin. „Ich war immer auf der Suche und brauchte etwas Neues.“Schon damals störte sie die Distanz zwischen der Kirche und der realen Hilfe vor Ort. „Ich hatte das Gefühl, dass das Geld nicht dort ankommt, wo es wirklich gebraucht wird“, sagt Anni Lechner. Das wollte sie ändern.
24 Jahren ließ sie den Alltag in Deutschland hinter sich und besuchte das kleine Dorf Fontem in Kamerun. Der damalige Pfarrer von Derching vermittelte ihr einen dreimonatigen Aufenthalt. Er war Mitglied der Fokolar-Bewegung, einer christlichen Gemeinschaft, die in dem afrikanischen Dorf Entwicklungshilfe leistete.
Mit einem Computer im Gepäck reiste Anni Lechner in das Dorf, um im Krankenhaus ein EDV-System einzurichten. Mit diesem sollten Statistiken über Patientenzahlen und Krankheiten leichter erfasst werden. „Ich habe gedacht, ich gehe dorthin und bringe den Leuten etwas ganz Tolles“, erinnert sie sich. Als Europäer habe man oft diese Art, zu denken. Dabei werde oft vergessen, dass es dort bereits Strukturen gibt. „Die Leute warten nicht darauf, dass jemand kommt, alles umwirft und ihnen zeigt, wie es richtig geht“, so Anni Lechner. „Wenn sie Hilfe benötigen, kommen sie schon auf einen zu.“So habe sie erst einmal von den Leuten dort gelernt.
In Fontem lebte sie in einer Wohngemeinschaft mit fünf Frauen. Sie leisteten soziale Arbeit und hatten sich einem gelebten Evangelium verschrieben. „Ich dachte, so ein Schmarrn, ich bin hier, um zu helfen und nicht, um zu beten“, erinnert sich Anni Lechner. Sie wollte mehr darüber erfahren, nahm an Gottesdiensten teil und begann sich in der Glaubensgemeinschaft wohlzufühlen. „Ich habe immer stärker gespürt, dass man die Bibel wirklich leben kann“, erzählt die 44-Jährige. So wurden aus den drei Monaten eineinhalb Jahre.
Zurück in Deutschland ließ sie der Gedanke, den Glauben aktiv zu leMit ben, nicht mehr los. Sie wurde Mitglied der Fokolar-Bewegung und kehrte 2006 nach Fontem zurück, um im Krankenhaus zu arbeiten. „Natürlich hatte ich Zweifel“, sagt Anni Lechner. In dem 2000-EinwohnerDorf könne man nicht einfach in den Supermarkt gehen und ein Glas Nutella kaufen. Aber es sei schön zu sehen, wie es sich über die Jahre entwickelte. Die Hygiene und Ausbildung im Krankenhaus hätten sich verbessert, es gebe Telefone, Taxis und Internetanschluss im Dorf.
Doch oft kehrt die 44-Jährige nicht nach Deutschland zurück. Sie sei zwar immer noch Derchingerin, aber eben auch eine Bangwa, wie die Bewohner von Fontem genannt werden. Was ihre Eltern dazu sagen? „Sie kamen mich besuchen, seitdem haben sie verstanden, dass das mein Weg ist“, so die 44-Jährige, der die direkte Verbindung zu den Menschen immer mehr wert war als die Institution Kirche.