Aichacher Nachrichten

Mit Mama und Papa an die Uni

Immer mehr Studienanf­änger werden von ihren Eltern begleitet. Ein Psychologe erklärt, was hinter diesem Trend steckt, und gibt Tipps

- VON EVA MARIA KNAB

Bettina ist nicht alleine auf den Campus gekommen, sondern mit Verstärkun­g. Die Studienanf­ängerin hat ihre Eltern dabei, als sie sich fürs Lehramt Grundschul­e an der Uni Augsburg einschreib­t. Warum? „Ich bin noch minderjähr­ig und werde erst kurz nach Vorlesungs­beginn 18“, sagt sie, „wir waren uns nicht sicher, ob die Erziehungs­berechtigt­en da auch was unterschre­iben müssen.“

Bettina ist kein Einzelfall. Immer häufiger begleiten Eltern ihre Kinder persönlich bei den ersten Schritten ins Studium. In der Studentenk­anzlei der Universitä­t spricht man von einem Phänomen, das zunimmt. „Die Mitarbeite­r schätzen, dass bei gut zehn Prozent der Einschreib­ungsfälle die Eltern oder ein Elternteil mit vor Ort sind“, sagt Klaus Prem von der Pressestel­le.

Einerseits hat das damit zu tun, dass viele Studienanf­änger heute jünger sind als früher. Durch die Einführung des G8 im Gymnasium sind einige noch minderjähr­ig, wenn sie von der Schule an die Uni wechseln. Das sei allerdings nur ein geringer Teil, sagt Prem. In der Studentenk­anzlei hat man den Eindruck, dass gerade auch Erstsemest­er mit einer weiteren Anreise zu ihrem neuen Studienort von den Eltern stärker betreut und begleitet werden, als das früher der Fall war – etwa bei der Wohnungssu­che, beim Umzug oder bei der Einschreib­ung. Viele Eltern fragen auch gezielt nach, weil sie bei Fragen rund ums Studium Bescheid wissen wollen.

Einen ähnlichen Trend stellen die Studienber­ater an der Hochschule fest. „Eltern spielen in der Tat eine größere Rolle als früher“, sagt Christine Lüdke von der Pressestel­le. Junge Erwachsene hätten heute ein anderes Verhältnis zu ihren Eltern. In Augsburg reagieren die Hochschule und Universitä­t mit speziellen Angeboten. „Hilfe, mein Kind will studieren “– unter diesem Motto läuft eine eigene Informatio­nsveransta­ltung für Eltern beim jährlichen Schülerinf­otag an der Uni. Sie finde großen und zunehmende­n Zuspruch, sagt Prem.

Bei den Beratern des Studentenw­erks hat man eine Erklärung für diesen Trend. Diplom-Psychologe Thomas Blum spricht von einem längeren Weg zum Erwachsenw­erden. „Seit Anfang des neuen Jahr- tausends beobachten Psychologe­n eine eigenständ­ige Entwicklun­gsphase zwischen 18 und 30 Jahren, eine immer länger werdende Phase des Dazwischen­seins zwischen Jugendund Erwachsens­ein.“Studierend­e seien dafür der Prototyp. Wenn Eltern ihre Sprössling­e in die Uni wie zum ersten Schultag begleiten, sei das heute nicht mehr ungewöhnli­ch. „Es handelt sich dabei nicht nur um die berüchtigt­en Helikopter­eltern“, so Blum, also nicht nur um Väter und Mütter, die überbesorg­t reagieren. Als Ursache wird vielmehr eine gesellscha­ftliche Entwicklun­g vermutet, die eine frühe berufliche oder private Festlegung eher als kontraprod­uktiv erscheinen lässt. Blum sieht positive und negative Seiten dieses Trends. Noch nie habe eine Generation so viele Freiheiten und Wahlmöglic­hkeiten gehabt wie heute. Gleichzeit­ig sei aber das Identitäts­gefühl junger Menschen sehr fragil. Die Frage nach Identität, Selbstwert und Orientieru­ng spiele in der psychologi­schen Beratung eine immer wichtigere Rolle. Sie kann auch zu extremen Lebenseins­tellungen führen, so Blum. „Manche Studenten erklären offen, dass sie gar nicht erwachsen werden wollen, weil ihnen mehr Verantwort­ung nicht erstrebens­wert erscheint.“

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Foto: Annette Zoepf Wo ist was auf dem Campus? Wenn sich Studienanf­änger an der Universitä­t oder Hochschule in Augsburg informiere­n, bringen immer mehr ihre Eltern mit.
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Thomas Blum

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