Zum Beispiel Todtenweis
Warum eigentlich Todtenweis? Wir könnten jede Kommune aus dem Wittelsbacher Land exemplarisch nehmen für das, was sich am Sonntag verändert hat. Gut, die Lechrain-Gemeinde ist eine besonders konservative Ecke und traditionell eine CSU-Hochburg. Aber erklärt das ein Wahlergebnis von über 20 Prozent für die rechte AfD? Mit minus 23 Prozentpunkten bei den Zweitstimmen haben die Christsozialen dort fast so viel verloren wie bei der desaströsen Landtagswahl 2008. Das galt damals als Tiefpunkt der Parteigeschichte und hatte vor allem mit dem internen Machtwechsel zu tun. Das ist jedenfalls keine Erklärung für diesen Erdrutsch.
Todtenweis ist sozusagen das Gegenteil von einem sozialen Brennpunkt. Mit dem Marktplatz der Generationen gibt es dort sogar ein absolutes Vorzeigeprojekt für Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement. Arbeitslosigkeit? Fehlanzeige, wie eigentlich überall in der Region. Hier herrscht Vollbeschäftigung. Also doch die Flüchtlingskrise und die Probleme, die da zweifellos entstanden sind? Nur: In Todtenweis gibt es ja gar keine Unterkunft für Migranten. Aber dennoch Unzufriedenheit und Sorge bei einem nicht kleinzuredenden Teil der Bevölkerung.
Da fällt einem als Erklärungsversuch für die aktuelle Stimmung irgendwie das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg ein. Der Besitzer eines Weinbergs stellt am Morgen und auch am späten Abend noch Tagelöhner ein und bezahlt allen den gleichen Lohn. Das verärgert einige der Arbeiter, die bereits den ganzen Tag über im Weinberg schwer geschuftet haben. Sie sind zwar nicht betrogen worden, denn sie haben den Lohn bekommen, der ihnen versprochen wurde. Es geht ihnen eigentlich gut, sie wollen aber nicht einsehen, dass Tagelöhner, die nur eine Stunde gearbeitet haben, genauso viel bekommen wie sie selbst. Ihr Gerechtigkeitsempfinden ist gestört. Die soziale Einstellung des Gutsbesitzers sorgt für Zwist und Streit. Ja, in Maßstäben der heutigen Leistungsgesellschaft ist die testamentarische Übersetzung „So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten“nur schwer zu akzeptieren.
Stellt sich nur die Frage: Wie wird hier erst gewählt, wenn es der Mehrheit der Bevölkerung wirklich einmal deutlich schlechter gehen sollte als heute?