Aichacher Nachrichten

Wenn Panther Zähne verlieren

Das Leben als Eishockey-Profi birgt viele Risiken, einige sind leicht erkennbar. Die Betroffene­n gehen entspannt damit um. Und einer wundert sich bis heute über sein makelloses Lächeln

- VON ANDREAS KORNES

Thomas J. Trevelyan ist ein Publikumsl­iebling der Panther. Seit 2011 spielt er für Augsburg in der DEL. Gleich in seiner ersten Saison wurde er dabei mit den Härten eines Lebens als Eishockey-Profi konfrontie­rt. Im März 2012 bekam er in Straubing den Stock eines Gegenspiel­ers ins Gesicht. Drei Zähne lagen auf dem Eis. Seitdem jubelt der Torjäger mit einer breiten Zahnlücke in die Kameras. Der 33-Jährige nimmt’s gelassen. „Das Verletzung­srisiko gehört zu unserem Job dazu. Solche Dinge passieren.“Schon vor dem Straubing-Malheur hatte er, damals noch in der nordamerik­anischen AHL tätig, mehrere Zähne verloren. Seit dem zweiten Unfall will er kein Risiko mehr eingehen und trägt seinen Zahnersatz nur abseits des Eises.

Fast kein Eishockey-Profi schafft es ohne gewaltsame Eingriffe ins Gebiss durch die Karriere. Am gleichen Wochenende beispielsw­eise, an dem Trevelyan in Straubing seine Zähne vom Eis sammelte, erwischte es auch den Teamkolleg­en Steffen Tölzer. Im Heimspiel gegen Hamburg büßte er zwei Zähne ein.

In den vergangene­n beiden Jahren hatten die Panther dagegen Glück. „Es gab nur Kleinigkei­ten, also dass mal ein Stück vom Zahn abgesplitt­ert ist. In der Regel spielen die Spieler dann weiter und wir erledigen das am nächsten Tag in der Praxis“, sagt Zahnärztin Dr. Roswitha Merk. Zusammen mit zwei Kollegen betreut sie die Zähne der Augsburger Profis, einer der drei ist bei Heimspiele­n immer im Stadion.

Für den Fall der Fälle haben die Zahnärzte eine Rettungsbo­x dabei. „Wenn ein Zahn herausflie­gt, sollte er innerhalb einer Stunde wieder zurückgest­eckt sein. Die Wahrschein­lichkeit, dass er wieder anwächst, ist so am größten“, erklärt Merk. Nach dem gewaltsame­n Entfernen muss der Zahn als Erstes schnellstm­öglich in eine spezielle Flüssigkei­t gelegt werden, die die Zellen am Zahn vital hält. Diese Zellen sind für die Einheilung verantwort­lich. „Im Stadion selbst haben wir zwar keine Möglichkei­t, aufwendig zu versorgen. Aber unsere Praxis ist mitten in der Innenstadt, wir wären also in fünf Minuten vor Ort“, sagt Merk.

Sie hat am meisten Arbeit, wenn Ellbogen, Schläger oder Puck im Gesicht eines Spielers landen. „Hier kann es zu dem berühmten Front- kommen.“Was das bedeutet, ist auf dem obigen Bild zu sehen.

Kleine Absplitter­ungen passieren vor allem bei Checks, „wenn die Spieler gegen die Bande knallen. Dann krachen die Zahnreihen so aufeinande­r, dass es zu Absplitter­ungen kommen kann.“Um das zu vermeiden, plädiert die Zahnärztin für das Tragen eines Zahnschutz­es. „Damit ist das Risiko von Absplitter­ungen deutlich reduziert.“Inzwischen trage der Großteil der Profis solch ein speziell angepasste­s Stückchen Kunststoff im Mund.

Es gibt allerdings Szenarien, da hilft auch ein Zahnschutz nicht mehr. Alexander Langenbach war bei der Eishockey-WM im Frühjahr in Köln als Turnier-Zahnarzt im Einsatz. In einem Interview mit der Zeit berichtete er von seinem schlimmste­n Fall. Nach einem Schlagschu­ss sei der Puck mit 160 Stundenkil­ometern im Kieferbere­ich eines Spielers eingeschla­gen. „Da waren direkt acht Zähne weg. Von den acht konnten wir vier retten. Die anderen vier mussten wir chirurgisc­h entfernen und dann wieder aufbauen.“Zwei Tage nach dem Unfall habe der Spieler wieder auf dem Eis gestanden. Langenbach: „Eishockeys­pieler sind harte Kerle, die eine Menge aushalten.“

Das galt zu seinen aktiven Zeiten auch für den Augsburger Trainer Mike Stewart. Seinen Spitznamen „Iron Mike“erarbeitet­e sich der ehemalige Verteidige­r durch eine eher kompromiss­lose Spielweise. Diese hatte wohl auch sein Vater schon früh vorhergese­hen. Als Kind habe der ihm einmal gesagt, dass er ihm keine Spange zur Korrektur des Gebisses finanziere­n werde, erzählt Stewart. Grund: „Sobald du ohne Gitter an deinem Helm spielst, verlierst du die Zähne eh.“

Prinzipiel­l eine nachvollzi­ehbare Einschätzu­ng, trotzdem lacht Stewart heute ein makelloses Lachen, wenn er sich an diese Szene aus seizahntra­uma ner Kindheit erinnert. „Ich habe 18 Jahre als Profi gespielt, hatte über 100 Fights. Mein Gesicht ist voller Narben, unter anderem wurde mein halbes linkes Ohr wieder zusammenge­näht. Aber meine Zähne sind alle noch original. Keine Ahnung, wie ich das gemacht habe.“

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Archivfoto: Siegfried Kerpf Panther Publikumsl­iebling Thomas J. Trevelyan verlor durch einen gegnerisch­en Stock mehrere Zähne. Die meisten seiner Kol legen haben ähnliche Erfahrunge­n gemacht.
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Roswitha Merk

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