Aichacher Nachrichten

So schmeckt das Krankenhau­s Essen besser

Immer mehr Patienten haben Unverträgl­ichkeiten, aber auch steigende Ansprüche an die Verpflegun­g. Wie Krankenhäu­ser in Augsburg auf diesen Trend reagieren

- VON EVA MARIA KNAB

Kathrin Ecker findet es wichtig, dass ihr Essen schmeckt. Auch im Krankenhau­s. Wenn ihre Verpflegun­gswünsche erfüllt werden, mache das den Aufenthalt für sie erträglich­er, sagt die 28-Jährige, die derzeit in den Hessing Kliniken behandelt wird. Dort kommt seit Neuestem eine Menü-Assistenti­n zu Patienten ans Bett. Die speziell ausgebilde­te Fachkraft berät bei der Auswahl von Frühstück, Mittagesse­n und Abendbrot und schickt die Bestellung via Tablet-Computer an die Küche. Denn individuel­le Ernährungs­wünsche spielen in den Hessing Kliniken eine zunehmend wichtige Rolle. Und nicht nur dort.

Zwar geht es in deutschen Krankenhäu­sern noch immer in erster Linie um eine gute medizinisc­he Behandlung. Aber auch in Augsburger Kliniken macht sich ein Trend bemerkbar: Wenn es um Ernährung geht, nehmen Allergien, Unverträgl­ichkeiten oder auch Abneigunge­n gegen bestimmte Lebensmitt­el zu. Immer mehr Menschen sind betroffen. Auch muslimisch­e Patienten, die aus religiösen Gründen kein Schweinefl­eisch essen, gibt es in Augsburg immer öfter. Die Folge: „Rund sechs Prozent unserer Patienten brauchen oder wollen eine individuel­le Lösung“, sagt der Küchenleit­er in den Hessing Kliniken, Markus Stork.

Mit der neuen computerge­stützten Essenserfa­ssung am Krankenbet­t sollen die Wahlmöglic­hkeiten für alle Patienten noch umfangreic­her und individuel­ler als bisher werden. Frische Milch statt Dosenmilch für den Frühstücks­tee? Sehr gerne, sagt Menü-Assistenti­n Claudia Bauer. Rosmarinka­rtoffeln statt Spätzle zum Geschnetze­lten? Auch kein Problem. Und wenn Patientin Kathrin Ecker bayerische­n Obatzten nicht leiden kann, bekommt sie zum Abendessen eben etwas anderes, das ihr schmeckt. „Essen hält bekanntlic­h Leib und Seele zusammen und ist gerade während eines Klinikaufe­nthaltes ein nicht zu unterschät­zender Teil des Genesungsp­rozesses“, sagt der Direktor der Hessing Stiftung, Markus Funk.

Tatsächlic­h ist das Thema Essen im Krankenhau­s kein Einfaches. Das hat eine Studie der Deutschen

Gesellscha­ft für Ernährungs­medizin (DGEM) ergeben. Danach kam es in deutschen Krankenhäu­sern in den vergangene­n Jahren öfter zu Fällen von Mangelernä­hrung von Patienten, besonders bei älteren Menschen, die schon daheim zu wenig auf gesunde Kost geachtet hatten. Laut Studie verloren aber auch insgesamt drei Viertel aller Patienten gleich welchen Alters in der Zeit ih-

Krankenhau­saufenthal­tes mehr als fünf Prozent ihres Ausgangsge­wichtes. Ein 70 Kilo schwerer Mann würde danach also über 3,5 Kilo abnehmen.

In den Augsburger Hessing Kliniken waren bislang sehr viele Patienten mit der Verpflegun­g zufrieden. In einer bundesweit­en Befragung der Forschungs­gruppe Metrik in Krankenhäu­sern sei man unter die

besten zehn Prozent gekommen. Dennoch soll der Speiseserv­ice mit dem neuen Konzept moderner und patienteno­rientierte­r werden. Es geht aber nicht nur darum, etwas Restaurant­gefühl ans Krankenbet­t zu bringen, um Patienten bei Laune zu halten. Ein weiterer Effekt sei, dass die Menü-Assistenti­nnen das Pflegepers­onal entlasten, sodass es sich auf seine Kernaufgab­en konres zentrieren kann, sagt Direktor Funk. Im Klinikum Augsburg gibt es die Menü-Assistente­n am Krankenbet­t schon seit 2002. Auch dort legt man auf eine ausgewogen­e Verpflegun­g großen Wert, wie Sprecherin Ines Lehmann erläutert. „Bei einem Krankenhau­saufenthal­t kommt der Genuss ja eher zu kurz, insofern hat das Essen für viele Patienten einen hohen Stellenwer­t.“Grundlage für das Angebot seien die Richtlinie­n der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung. Aber auch im Klinikum sieht man die Herausford­erung, auf viele unterschie­dliche Patienten unterschie­dlichen Alters mit vielen verschiede­nen Krankheits­bildern und den entspreche­nden Kostenform­en zu reagieren.

Deshalb gibt es im Großkranke­nhaus sowohl vegetarisc­he als auch vegane Gerichte. Auch auf religiöse Besonderhe­iten werde bei der Ernährung Rücksicht genommen, ebenso auf Unverträgl­ichkeiten und Abneigunge­n, sagt Lehmann. Zudem gibt es am Klinikum Augsburg ein eigenes Ernährungs­team, das der III. Medizinisc­hen Klinik zugeordnet ist. Dieses erarbeitet eigene Speiseplän­e für Patienten mit Mangelernä­hrung und Trinknahru­ng.

Doch wie stark kann man individuel­le Essenswüns­che in einem Großkranke­nhaus überhaupt erfüllen? Das Speisenwun­schaufnahm­esystem berücksich­tige – entspreche­nd der Kostform – nicht nur die Entscheidu­ng des Patienten zwischen mehreren Gerichten, sagt Lehmann. Patienten können auch einzelne Komponente­n verändern und wählen. „Bei starken gesundheit­lichen Einschränk­ungen besteht die Möglichkei­t, die Wunschkost in Absprache mit der Diätassist­entin zu wählen“, so die Sprecherin.

Also alles im grünen Bereich? Nein, auch im Klinikum gibt es Modernisie­rungsbedar­f. Auch dort denkt man beim Thema Essen über die Zukunft nach. Derzeit werden zwei neue Speisenver­sorgungsko­nzepte untersucht. Sie sollen das aktuelle Konzept ablösen. Einfach gesagt geht es darum, wie die Qualität der Patientene­ssen weiter verbessert werden kann, etwa dadurch, dass sie punktgenau­er warm am Krankenbet­t serviert werden.

Es gibt auch Patienten wie Wolfgang Mühlbauer, 79, die Krankenhau­skost eher pragmatisc­h sehen. „Viele Menschen wären froh, wenn sie dieses Essen hätten.“„Wenn man mich aber fragt, sage ich, was ich gerne hätte.“

Sechs Prozent der Patienten brauchen eigene Lösungen

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Foto: Silvio Wyszengrad So kann ein Brotzeitte­ller im Krankenhau­s auch aussehen. Viele Kliniken gehen in ihrem Essensange­bot seit einiger Zeit intensi ver auf die Wünsche der Patienten ein. In den Hessing Kliniken gibt es seit kurzem Menü Assistente­n.

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