Aichacher Nachrichten

So teuer wird der Riesen Bundestag

Das kommende Parlament wird das kostspieli­gste der Geschichte: Eine Wahlrechts­reform spült über hundert zusätzlich­e Abgeordnet­e in den Reichstag und löst zudem Platzprobl­eme aus

- VON MARTIN FERBER

Berlin Im Reichstags­gebäude herrscht Hochbetrie­b. Es gibt viel zu tun bis zur Konstituie­rung des neuen Bundestags, die am 24. Oktober stattfinde­n soll. Die Abgeordnet­en, die den Bundestag verlassen, müssen ihre Büros räumen und ihre Mitarbeite­r entlassen. Und die neuen Mitglieder des Parlaments, die in dieser Woche erstmals Bundestags­luft schnuppert­en, sind im Gegenzug dabei, sich in den weitläufig­en Gebäuden zurechtzuf­inden und sich auf die parlamenta­rische Arbeit vorzuberei­ten, Büros aufzubauen und Mitarbeite­r zu suchen.

Eine logistisch­e Herausford­erung, die schon unter normalen Umständen alles andere als einfach ist. Doch in diesem Jahr ist alles noch viel komplizier­ter und aufwendige­r. Denn der Bundestag ist so groß wie noch nie – mit 709 Abgeordnet­en zählt er 111 mehr als eigentlich vorgesehen. Schuld daran sind einerseits das komplizier­te Wahlrecht und anderersei­ts das Wahlergebn­is.

So stürzten zwar Union wie SPD massiv ab, gleichzeit­ig gewannen sie aber in ihren Hochburgen mehr Direktmand­ate, als ihnen nach dem schlechten Zweitstimm­energebnis eigentlich zustehen. So kamen CDU/CSU auf 43 Überhangma­ndate, davon allein elf in Baden-Würt- und sieben in Bayern. Die SPD bekam drei Überhangma­ndate in Hamburg und Bremen. Um diese Zusatzmand­ate auszugleic­hen, sind 65 weitere Mandate nötig, damit die Zusammense­tzung des Bundestags am Ende dem exakten Zweitstimm­energebnis entspricht: 19 für die SPD, 15 für die FDP, elf für die AfD und je zehn für Linke und Grüne, macht unterm Strich 709. Deutschlan­d hat damit das größte Parlament unter den westlichen Demokratie­n, selbst das Repräsenta­ntenhaus der USA ist kleiner. Größer ist nur der Volkskongr­ess in China (2987).

Die schiere Größe schafft Probleme. Da sind zunächst einmal die Kosten: Der größte Bundestag der Geschichte wird auch der bislang teuerste. Jeder Abgeordnet­e erhält monatliche Diäten von 9542 Euro sowie eine Kostenpaus­chale von 4318 Euro für seine laufenden Ausgaben, macht 118 Millionen Euro pro Jahr für alle 709 Parlamenta­rier. Hinzu kommen die Personalko­sten für Büroleiter, Referenten, wissenscha­ftliche Mitarbeite­r und Assistente­n, zudem für die Mitarbeite­r der Fraktionen, für die Beschäftig­ten der Bundestags­verwaltung vom wissenscha­ftlichen Dienst über die Archivare und Bibliothek­are bis zu den Hausmeiste­rn. Bislang waren rund 4500 Mitarbeite­r in Voll- oder Teilzeit bei den Abgeordnet­en angestellt, diese Zahl dürfte durch die Rekordzahl an Abgeordnet­en auf über 5000 ansteigen. Allein die 93 neuen AfD-Abgeordnet­en werden um die 500 Mitarbeite­r einstellen.

Der Bund der Steuerzahl­er beziffert die Gesamtausg­aben für den neuen Bundestag auf rund 517 Millionen Euro pro Jahr, wären es wie bisher 630 Abgeordnet­e, wären es rund 54 Millionen Euro weniger, bei der gesetzlich­en Sollstärke von 598 Sitzen sogar 75 Millionen Euro weniger. Zudem sind die Folgekoste­n durch die Ansprüche auf die Altersvors­orge noch gar nicht mitgerechn­et. Pro Jahr Mitgliedsc­haft im Bundestag erwirbt jeder Abgeordnet­e einen Pensionsan­spruch von 239 Euro pro Monat ab dem 67. Lebensjahr. Das macht schon nach einer Legislatur­periode 956 Euro pro Monat.

Die Aufblähung des Bundestags schafft auch Kapazitäts­probleme: Mehr Abgeordnet­e brauchen deutlich mehr Räume. Am geringsten sind die Probleme im Plenarsaal: Er ist groß genug, um die zusätzlich­en Stühle aufzustell­en. Bei der Wahl des Bundespräs­identen im Februar saßen sogar 1260 Frauen und Mäntemberg ner im Plenarsaal. Für Streit sorgt allerdings die Frage, wo die AfD sitzt und wo die anderen Fraktionen Platz nehmen. Nach dem politische­n Rechts-Links-Schema müsste die AfD eigentlich ganz rechts (vom Bundestags­präsidente­n gesehen) sitzen. Das war aber in der Vergangenh­eit der traditione­lle Platz der FDP, zudem wäre die AfD damit ganz nahe an der Regierungs­bank.

Noch komplizier­ter ist die Frage, wo die Fraktionen tagen. In der

46 Überhang und 65 Ausgleichs­mandate

AfD will einen Sitzungssa­al im Turm des Reichstags

dritten Ebene des Reichstags­gebäudes gibt es in den vier Ecktürmen vier Fraktionss­äle, die bislang CDU/ CSU, SPD, Linke und Grüne beherbergt­en. Durch den Einzug von FDP und AfD gibt es künftig aber sechs Fraktionen. Als drittstärk­ste Kraft erhebt die AfD Anspruch auf einen Sitzungssa­al in einem Turm, entweder die Grünen oder die Linke müssten weichen. Offen ist auch, wo die „Neulinge“von FDP und AfD ihre Abgeordnet­enbüros erhalten.

Im Gespräch ist der frühere Sitz des Innenminis­teriums in Moabit. Damit wären allerdings die Parlamenta­rier fast einen Kilometer vom Reichstags­gebäude und den Sitzungssä­len der Ausschüsse entfernt.

 ?? Foto: Klaus Dietmar Gabbert, dpa ?? Berliner Reichstags­gebäude: Mit 709 Abgeordnet­en zählt der neue Bundestag 111 mehr als eigentlich vorgesehen.
Foto: Klaus Dietmar Gabbert, dpa Berliner Reichstags­gebäude: Mit 709 Abgeordnet­en zählt der neue Bundestag 111 mehr als eigentlich vorgesehen.

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