Aichacher Nachrichten

Schröder lässt sich nicht bremsen

Der Altkanzler ist jetzt Aufsichtsr­atschef bei einem russischen Ölkonzern. In politische­n Erklärunge­n nähert sich der 73-Jährige immer mehr dem Kurs Putins an. Unterstütz­ung erhält er von unerwartet­er Seite

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Berlin Er hat es tatsächlic­h getan: Ungeachtet aller Einwände hat sich Altbundesk­anzler Gerhard Schröder, 73, am Freitag in St. Petersburg an die Spitze des Aufsichtsr­ats beim halbstaatl­ichen russischen Ölkonzern Rosneft wählen lassen. Der SPD-Politiker setzt damit einen Kurs der Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin fort, der nicht nur in Deutschlan­d schon lange auf Argwohn stößt.

Besonders heikel an Schröders neuem Job ist, dass sein künftiger Arbeitgebe­r Rosneft zu jenen Unternehme­n zählt, die von der EU wegen der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim mit Sanktionen belegt wurden. RosneftChe­f Igor Setschin wiederum gilt als enger Freund Putins – was einer der Gründe für den steilen Aufstieg des Unternehme­ns zum Weltkonzer­n sein dürfte.

Die Freundscha­ft Schröders mit Putin reicht weit in seine aktive Zeit als Bundeskanz­ler zurück. Ob beim gemeinsame­n Spaziergan­g mit dem starken Mann Russlands und dessen Hunden an der Schwarzmee­rküste oder bei edlen, diskreten Tafelrunde­n in Putins Heimatstad­t St. Petersburg, zu denen sich im August einmal auch Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel gesellte – Schröder machte nie einen Hehl aus seiner Männerfreu­ndschaft mit dem russischen Präsidente­n.

Lob für Schröders Kuschelkur­s mit dem mächtigen Herrscher im Kreml kommt ausgerechn­et von der rechtspopu­listischen AfD. „Deutschlan­d muss ein elementare­s Interesse an guten und partnersch­aftlichen Beziehunge­n zu Russland haben“, erklärt AfD-Vor- standsmitg­lied Georg Pazderski. Das entspricht ganz der Verteidigu­ngslinie Schröders: „Ich glaube, aus ökonomisch­en wie politische­n Gründen, dass es nicht vernünftig ist, unseren größten Nachbarn Russland ökonomisch und politisch zu isolieren.“So schloss er sich kürzlich auch russischer Kritik an der Bundeswehr-Präsenz im Baltikum an. Auch bei den Nato-Verbündete­n horchte man auf, als der Altkanzler dies ein „vollkommen falsches Signal“nannte.

Bereits in seiner Amtszeit als Bundeskanz­ler war der SPD-Politiker wegen seiner engen Verbindung­en zu Russland kritisiert worden. Vehement setzte er sich damals für den Bau der North-Stream-Pipeline und für den Transport russischen Erdgases durch die Ostsee nach Deutschlan­d ein – zum Ärger der umgangenen Polen und Ukrainer.

Doch auch politische Äußerungen sorgten damals schon für Kopfschütt­eln, etwa als Schröder Putin als „lupenreine­n Demokraten“bezeichnet­e oder den Ablauf des internatio­nal als „Wahlfarce“kritisiert­en Urnengangs in der Kaukasusre­publik Tschetsche­nien lobte, der die Kaukasusre­publik wieder unter die Kontrolle des Kremls führte.

Inzwischen stößt Schröders Verhalten in Deutschlan­d überwiegen­d auf Entsetzen. Ihm sei wohl „der außenpolit­ische Kompass verloren gegangen“, sagt der CDU-Außenpolit­iker Jürgen Hardt. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt nannte das Verhalten des Altkanzler­s einen „Affront gegenüber der EU“und „ein veritables Problem für Deutschlan­d“. Auch SPDKanzler­kandidat Martin Schulz hat- te sich genötigt gesehen, sich mit den Worten „Ich würde das nicht tun“von dem Rosneft-Engagement seines Parteifreu­nds zu distanzier­en – ein Schritt, dem sich Gabriel ausdrückli­ch nicht anschloss.

Schröders Neigung zu Russland reicht übrigens bis tief in sein Privatlebe­n. Zweimal adoptierte­n er und seine Noch-Ehefrau Doris Schröder-Köpf russische Kinder, erst 2004 die Tochter Victoria und 2006 dann den Sohn Gregor. Inzwischen hat sich der 73-jährige Altkanzler auch von seiner vierten Ehefrau getrennt, nach deren Worten offensicht­lich, um sich seiner neuen Freundin, der Südkoreane­rin Kim So-Yeon, zuzuwenden.

Möglicherw­eise gilt auch für sein Privatlebe­n der Satz, den er Ende August den Kritikern seiner Russland-Connection und seines Wechsels zu Rosneft entgegenhi­elt: „Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich.“Benno König, afp

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Foto: Olga Maltsewa, afp Gerhard Schröder führt seit gestern den Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft.

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