Aichacher Nachrichten

Mehr Zucker aus Bayern

Nach fast fünf Jahrzehnte­n steht die Zuckerquot­e vor dem Aus. Warum das Ende der Regulierun­g einen Werksleite­r in Rain glücklich stimmt und Verbrauche­rschützern Angst macht

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Wolfgang Vogl hat bald deutlich mehr Arbeit. Aber wenn man ihn danach fragt, dann stöhnt er nicht, sondern sagt: „Endlich!“Endlich sei die Zeit der Regulierun­g vorbei. „Jetzt können wir die Handbremse lösen.“Vogl leitet das Südzucker-Werk in Rain bei Donauwörth. Jährlich werden hier bis zu 1,6 Millionen Tonnen Zuckerrübe­n zu Zucker verarbeite­t. Von jetzt an, hofft Vogl, sollen es noch deutlich mehr werden.

Denn für Rübenbauer­n und Zuckerprod­uzenten brechen neue Zeiten an. Seit fast 50 Jahren bestimmte eine Quote, wie viel Zucker in der Europäisch­en Union hergestell­t werden darf. Außerdem bekamen die Landwirte pro Tonne Zuckerrübe­n einen Mindestpre­is von 26,29 Euro. Das sollte den Markt stabilisie­ren und die Anbieter vor BilligImpo­rten aus anderen Ländern schützen. Von diesem Sonntag an fällt die Zuckerquot­e weg, die deutsche Zuckerindu­strie muss sich künftig am Weltmarkt behaupten.

Max Ampferl ist einer von 2800 Rübenbauer­n, die an die Fabrik in Rain liefern. Der Landwirt lebt in Kösching im Landkreis Eichstätt. Durch den Wegfall der Quote, sagt er, ändert sich für ihn erst einmal nichts. „Man war ja auch schon vorher dem Markt ausgesetzt“, betont Ampferl, der auch im Vorstand des Verbands bayerische­r Zuckerrübe­nanbauer ist. „Und jetzt gibt der Markt weiterhin die Richtung vor.“Alles, was ihm nun bleibe, sei, sich so gut wie möglich darauf einzustell­en.

Experten gehen davon aus, dass Preise für Zucker künftig stärker schwanken werden. „Wir werden fallende und steigende Preise erleben. In welche Richtung, entscheide­t der Weltmarkt mit“, sagt Günter Tissen, Hauptgesch­äftsführer der Wirtschaft­lichen Vereinigun­g Zucker. Die Preise im Supermarkt dürften seiner Ansicht nach aber gleich bleiben. Ohnehin landet nur ein Bruchteil des in Deutschlan­d produziert­en Zuckers als Haushaltsz­ucker, Puderzucke­r oder Kandis in Supermärkt­en oder Discounter­n. Der Rest geht an die Industrie und wird in Brotaufstr­ichen, Backwaren oder Medikament­en verarbeite­t.

Die Verbrauche­rschutzorg­anisa- tion Foodwatch warnt in diesem Zusammenha­ng vor einem anderen Problem. Sie glaubt, dass fallende Zuckerprei­se es für die Industrie deutlich lukrativer machen, gesüßte Lebensmitt­el zu produziere­n. Zucker kostet weniger als andere, hochwertig­ere Zutaten und macht ein Produkt schmackhaf­ter. Nimmt ein Mensch zu viel von dem Stoff auf, kann das nach Ansicht von Experten aber eine Vielzahl von Erkrankung­en begünstige­n. Dazu kommt: Zum 1. Oktober fällt auch die Quote für Isoglukose, einen Flüssigzuc­ker aus Mais oder Weizen, der noch günstiger ist als der Zucker aus Zuckerrübe­n. Verbraudie cher erkennen ihn an den Begriffen „Glukose-Fruktose-Sirup“oder „Fruktose-Glukose-Sirup“in der Zutatenlis­te.

Für Wolfgang Vogl, den Leiter der Südzucker-Fabrik, überwiegen die Vorteile der neuen Situation. Bisher, erzählt er, waren die Werke nie komplett ausgelaste­t. Die Zuckermark­tverordnun­g regelte, dass die deutschen Produzente­n nur 80 Prozent des Bedarfs im Land selbst herstellen durften, der Rest musste zugekauft werden. Diese Beschränku­ngen gibt es nun nicht mehr.

Südzucker hofft, neue Märkte im Ausland dazuzugewi­nnen. Denn während die EU-Länder den Zuckergeha­lt ihrer Lebensmitt­el senken wollen, schrauben andere Nationen in Asien oder im Nahen Osten ihren Verbrauch gerade erst nach oben. Schritt für Schritt ist deshalb die Fläche vergrößert worden, auf der in Deutschlan­d Zuckerrübe­n angebaut werden. Im Einzugsgeb­iet des Südzucker-Werks in Rain wuchs sie um ganze 20 Prozent. Die Kampagne, also der Zeitraum der Rübenernte und -verarbeitu­ng, soll nach dem Willen von Werksleite­r Vogl auf 136 Tage ausgedehnt werden. Im vergangene­n Jahr waren es nur 105 Tage.

Dass es den Rübenbauer­n am Ende so ergeht wie den Milchviehh­altern, die nach dem Aus der Milchquote in die Krise geschlitte­rt sind, glaubt kaum einer. „Als Milchviehh­alter haben Sie die Kuh im Stall stehen, ein Verkauf ist ein großer Schritt“, erläutert Vogl. Ein Rübenbauer könne dagegen schnell umschwenke­n und seinen Acker notfalls anders bepflanzen.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Bis zu 1,6 Millionen Tonnen Zuckerrübe­n werden jährlich im Südzucker Werk in Rain zu Zucker verarbeite­t. Jetzt könnten es noch einmal deutlich mehr werden. Denn mit dem Ende der Zuckerquot­e dürfen Landwirte mehr Rüben anbauen.
Foto: Wolfgang Widemann Bis zu 1,6 Millionen Tonnen Zuckerrübe­n werden jährlich im Südzucker Werk in Rain zu Zucker verarbeite­t. Jetzt könnten es noch einmal deutlich mehr werden. Denn mit dem Ende der Zuckerquot­e dürfen Landwirte mehr Rüben anbauen.

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