Aichacher Nachrichten

Eine Wiesn WG mit 22 Australier­n

Zahlreiche Privatleut­e vermieten in München derzeit Zimmer an Touristen. Michael und Melanie teilen sich ein ganzes Haus mit Gästen aus aller Welt

- VON IDA KÖNIG

München Im Wohnzimmer warten vier Matratzen auf ihre Wochenendg­äste. Der Kühlschran­k ist bis zum Rand mit Bier gefüllt, im Bad liegen Zahnbürste­n und Duschgel bereit. Während des Oktoberfes­ts wird ein großes Einfamilie­nhaus im Münchner Westen zur Ferienwohn­ung für Touristen aus aller Welt. 22 Australier wohnen dort an diesem Wochenende, ein paar von ihnen sind inzwischen Stammgäste von Melanie und Michael. Ihre vollständi­gen Namen wollen die beiden lieber nicht nennen – sie sind zwar gastfreund­lich, wollen ihre Familie aber vor zu viel Öffentlich­keit schützen.

Seit fünf Jahren vermietet Michael sein Elternhaus über die Internetpl­attform Airbnb an Wiesn-Touristen, diesmal zusammen mit seiner Freundin Melanie. Die Eltern des 34-Jährigen verbringen die zwei Wochen im Herbst in ihrem Ferienhaus in Frankreich. Das muss sowieso winterfest gemacht werden, außerdem entfliehen sie so dem Oktoberfes­t-Trubel. Melanie und Michael finanziere­n sich mit den Gästen ihren Winter in Sri Lanka – und die Besucher kommen günstiger weg als im Hotel.

Zwei Nächte in einem Münchner Hotel während der Wiesn findet man nicht für unter 300 Euro – falls es überhaupt noch freie Plätze gibt. Wenn die Hotelpreis­e durch die Decke gehen, suchen vor allem junge Menschen nach einer günstigen Alternativ­e. Nach Angaben von Airbnb haben für den Zeitraum der Wiesn mehr als 35 000 Menschen einen Platz in einer der vielen privaten Unterkünft­e in München gebucht, gefunden über das Internet. Schon zwei Tage vor Oktoberfes­tbeginn hieß es bei Airbnb, dass nur noch sieben Prozent der angebotene­n Unterkünft­e verfügbar seien.

Ähnlich sieht es bei der Immobilien­seite WG-Gesucht aus. Dort gab es nach den ersten Wiesn-Tagen kaum noch freie Angebote zu finden. Die Erklärung: Zu groß sei die Nachfrage für die Schlafplät­ze gewesen. Für Airbnb sei das Oktoberfes­t „das Highlight des Jahres“, denn die Vermittlun­gsplattfor­m verdiene an jeder Buchung drei Prozent, sagt Pressespre­cher Julian Trautwein.

Die Plattform ist auf der ganzen Welt bekannt, deswegen nutzen sie auch Melanie und Michael – obwohl ihr Angebot manchmal gar nicht zu finden ist. „Das liegt am Algorithmu­s der Seite“, sagt Melanie. Warum Airbnb ihr Haus nicht immer anzeigt, wissen sie nicht. Die Auswirkung­en bekommen sie aber zu spüren: Unter der Woche hatten sie diesmal kaum Gäste, das sei vor zwei Jahren noch anders gewesen. Seitdem hat sich einiges verändert: Während auf der einen Seite immer mehr Privatleut­e Zimmer vermieten, kommen weniger Touristen zum Oktoberfes­t. „Letztes Jahr hatten wir deutlich weniger Gäste“, sagt Michael. Er schätzt, dass es an der Terrorgefa­hr lag.

Mit 22 Touristen ist ihr Haus an diesem Wochenende aber so voll wie noch nie. Im Garten steht sogar ein Wohnmobil, um noch mehr Schlafplät­ze anbieten zu können. „Einer der Australier war schon öfter bei uns und wollte diesmal mit allen seinen Freunden kommen“, erzählt Melanie. Das liegt wohl an der Gastfreund­lichkeit des Paares, das zur Wiesn ebenfalls in dem Haus wohnt. Zur Stärkung vor dem Oktoberfes­tbesuch gibt es jeden Tag ein Frühstücks­buffet und auf Wunsch können sich die Gäste am Abend bekochen lassen. Wenn es dunkel wird, schürt Michael den Kachelofen an, man sitzt gemeinsam am Feuer und trinkt ein letztes Bier.

Doch was, wenn sich die betrunkene­n Gäste streiten und ihre Getränke nach exzessivem Feiern nicht mehr bei sich behalten können? „Viele Leute haben die Befürchtun­g, dass einem die Besucher das Haus zerlegen oder sich übergeben“, sagt Michael und lacht. Aber bisher sei nie etwas Schlimmes passiert – und wenn es einem Gast einmal schlecht wird, sei das kein Problem, solange er das Badezimmer noch findet. Am meisten Arbeit macht neben der Vorbereitu­ng und der Werbung im Vorfeld die viele Wäsche, sagt Melanie – schließlic­h bleiben die meisten Gäste nur wenige Tage, danach müssen Bettwäsche und Handtücher gewechselt werden. Für Michaels Eltern hat die Wiesn neben dem Zusatzverd­ienst unterdesse­n noch einen weiteren Vorteil: Sie kommen aus dem Urlaub zurück und finden ein vollständi­g geputztes Haus vor.

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