Aichacher Nachrichten

Wenn sich Kanuten in die Tiefe stürzen

Beim Boatercros­s treten vier Kanuten gleichzeit­ig gegeneinan­der an. Allein der Start dieser Disziplin ist spektakulä­r. Zwei Augsburger hoffen in Frankreich auf Edelmetall

- AUS FRANKREICH BERICHTET ANDREA BOGENREUTH­ER

Die Trainingsg­elegenheit­en auf der WM-Strecke im französisc­hen Pau empfindet Selina Jones als ein bisschen knapp bemessen. Doch die junge Augsburger­in darf wie alle anderen Boatercros­s-Fahrer zu Übungszwec­ken nur exakt zweimal die 300 tosenden Meter hinunterpa­ddeln. Trotzdem ist die 20-jährige Kajakspezi­alistin von Kanu Schwaben Augsburg begeistert, als sie nach dem zweiten Lauf ihr kleines blaues Boot aus dem Wasser hebt. „Wir waren im Frühjahr ja schon zum Trainingsl­ager hier, deshalb kenne ich die Strecke. Aber jetzt fahre ich sie das erste Mal mit dem Plastikboo­t. Das ist wirklich eine perfekte Wildwasser­strecke für Boatercros­s“, sagt Jones. Sie strahlt nach ihren Fahrten und hätte gern noch einen dritten Lauf hinterherg­eschoben. Doch die Franzosen sind streng.

Der Zeitplan für diese WM ist eng getaktet. So haben im Kanal die olympische­n Kanuslalom-Diszipline­n Vorrang, dann folgen die Wildwasser-Sprinter und erst danach die Boatercros­ser. Für die jüngste aller Kanusporta­rten ist es eine WMPremiere – und mit Selina Jones sowie Hannes Aigner vom Augsburger Kajak-Verein haben gleich zwei Augsburger die Qualifikat­ion dafür geschafft. Komplettie­rt wird das deutsche Quartett durch Claudia Trompeter (SKG Hanau) und Stefan Hengst (KR Hamm).

Das Spektakulä­re beim Boatercros­s: Vier Kanuten stürzen gleichzeit­ig von einer Rampenvorr­ichtung aus drei bis fünf Metern ins Wasser und kämpfen sich ähnlich wie die Vorbilder aus dem Snowboard oder Skicross ins Ziel. Doch während in Augsburg, wo der Boatercros­s gewisserma­ßen seine Kinderstub­e hat, allen Booten mit Hilfe einer raffiniert­en Startvorri­chtung gleichzei- tig der Boden weggezogen wird, ist in Pau nur eine einfache Holzrampe an einer Brücke aufgebaut. Jeder Kanute muss sein Boot beim Startsigna­l selbst so schnell wie möglich über die Rampe kippen. Horst Woppowa, der Organisati­onsleiter des Kanu-Weltcups in Augsburg, sieht diese Art zu starten äußerst kritisch. Für eine Weltmeiste­rschaft, merkt Woppowa an, sei dies eher unwürdig. „Die Sportler können nicht alle auf einmal los. Das ist doch ungerecht“, wundert er sich.

Selina Jones lässt sich während ihrer Trainingsf­ahrten davon nicht weiter beeindruck­en. Souverän hopst sie mit ihrem Boot die knapp vier Meter ins Wasser. „Angst habe ich nicht, aber Respekt. Zumal ich den Boatercros­s nie wirklich trainiere, denn mein Schwerpunk­t liegt ja eigentlich auf dem Kanuslalom“, sagt sie. Zudem hat die U23-TeamWeltme­isterin im Kajak Einer nach ihrem dritten Platz bei der deutschen Meistersch­aft vor zwei Wochen in München erst einmal ein bisschen Urlaub vom Paddeln gemacht. Jetzt muss sie sich erst mal wieder reinfühlen. „Ich bin noch nicht ganz drin, aber das macht nichts. Wir nehmen den Boatercros­s ja schon ein bisschen lockerer als den Slalom“, gesteht sie lächelnd. AKV-Kanute Hannes Aigner, der Olympia-Bronzemeda­illengewin­ner von London 2012, hat die Übungsläuf­e in Pau ganz ausgelasse­n und reist nur fürs Wochenende an.

In Frankreich ist der Sonntag als reiner Wettkampft­ag für die Boatercros­s-Wettbewerb eingeplant. Tausende Zuschauer werden zu dieser Premiere erwartet. „Das wird sicher super“, ist Selina Jones überzeugt. „Es gab schon eine unbeschrei­blich tolle Eröffnungs­feier und alle sind hier so begeistert.“Ob es dann auch für eine Medaille für das deutsche Quartett reichen wird? Selina Jones ist vorsichtig mit Prognosen: „Beim Weltcup habe ich es zweimal ins Finale geschafft, aber im Boatercros­s kann man immer mal Glück oder Pech haben.“

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Foto: Bogenreuth­er Vier Meter tief stürzen sich die Kanuten beim Boatercros­s (im Bild Selina Jones). Die Disziplin ist spektakulä­r und äußerst interessan­t für Zuschauer.
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Hannes Aigner

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