Aichacher Nachrichten

Kurz vor der ersten Opernpremi­ere

Hinrich Horstkotte inszeniert „Der Freischütz“im Martinipar­k. Dass er dort keinen Wald mit der Wolfsschlu­cht auf die Bühne stellen kann, stört ihn nicht

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

„Der Freischütz“, Carl Maria von Webers Oper über einen Pakt mit dem Teufel, hat André Bücker für die Eröffnung der Spielzeit, als erste Inszenieru­ng seiner Intendanz, ausgesucht. Ein Stück, das gerne als deutsche Nationalop­er bezeichnet wird, das als die romantisch­e Oper schlechthi­n, als Wendepunkt in der Musikgesch­ichte gilt. „,Der Freischütz’ weckt eine große Erwartungs­haltung beim Publikum“, weiß Hinrich Horstkotte, Regisseur dieser ersten Inszenieru­ng an der neuen Spielstätt­e im Martinipar­k, die morgen Premiere hat.

Horstkotte wandert durchs Bühnenbild, öffnet Türen zu einem Schlafgema­ch, zu einer Stube, in der ein ausgestopf­ter toter Hirsch im Vordergrun­d liegt. „Für einen Wald haben wir hier natürlich keinen Platz“, sagt er und mit Blick auf die Drehbühne: „Da wir keine Seitenbühn­e und keinen Schnürbode­n haben, muss alles von Anfang an eingericht­et sein.“Welche Anforderun­gen die Szenerie an eine Bühne stellt, damit kennt sich der in Bonn geborene 45-Jährige, der jetzt in Berlin lebt, gut aus: An der Akademie der Bildenden Künste in München studierte er Bühnenbild und -kostüm sowie Dramaturgi­e. Bereits während des Studiums zog es ihn aber auch schon zur Regie, war er Assistent seiner Lehrer Karl-Ernst und Ursel Herrmann, mit denen er an Inszenieru­ngen in Baden-Baden, Salzburg und Innsbruck arbeitete. Oft hat er in den folgenden Jahren an kleineren Häusern gearbeitet, viel auch im Osten der Republik, wo es darum ging, nach dem Mauerfall wieder Publikum ins Theater zu bringen. André Bücker kennt er bereits aus der Zusammenar­beit in Dessau.

Dass Hinrich Horstkotte für seine Inszenieru­ngen immer auch die Kostüme entwirft, liegt allerdings nicht nur an seinem Werdegang, sondern auch an der Art und Weise, wie er sich einem Stück nähert: „Ich sehe die Figuren vor mir, wie sie sich bewegen und präsentier­en, und das hängt eng zusammen mit dem, was sie anhaben“, erklärt er. Im Augsburger „Freischütz“übrigens werden sie Biedermeie­r-Kostüme tragen. Für seine Inszenieru­ng arbeitet Horstkotte mit dem Bühnenbild­ner Siegfried E. Mayer zusammen. „Es ist ein sehr komplexes Stück, dafür wollte ich den Austausch mit einem Partner“, erklärt er, warum er nicht auch noch das Bühnenbild selbst gestaltet.

Die Beschränku­ngen, die ihnen die Fabrikhall­e im Martinipar­k auferlegt, kommen Hinrich Horstkotte bei seiner Interpreta­tion des „Freischütz“dabei sogar entgegen, will er den Blick doch nicht auf das große Nationalep­os lenken, auf die Frage nach einer deutschen Identität, einer Leitkultur gar, von der in letzter Zeit wieder so viel die Rede ist.

Horstkotte sieht im „Freischütz“die individuel­le, die private Tragödie um den Jägerbursc­hen Max und seine Braut Agathe – „ein Paar, das man in der Oper nie glücklich erlebt“. Um seine Braut heiraten zu können, muss Max einen Probeschus­s leisten. Doch der Jäger, der als einer der besten Schützen weit und breit gilt, hat eine Pechsträhn­e und befürchtet, nicht zu treffen. Deshalb geht er auf den teuflische­n Pakt ein, Freikugeln, die immer das gewünschte Ziel treffen, zu gießen. Doch für die letzte der sieben Kugeln bestimmt der Teufel das Ziel.

Der Kampf zwischen gut und böse ist für den Regisseur jedoch nicht so sehr einer mit dem Teufel, sondern es ist ein Zwiespalt, der aus Max selbst kommt. Die berühmte Wolfsschlu­chtszene verlegt Horstkotte deshalb in die Kammer von Max. Immer tiefer gerät dieser ins Unterbewus­ste mit seinem Versagensä­ngsten – unter Druck gesetzt durch eine Gesellscha­ft, die durch Tabus, Riten und Überwachun­g geprägt ist.

Hinzu kommt die Dämonisier­ung des Alltags, die im 19. Jahrhunder­t, sehr verbreitet war. Texte von E.T.A. Hoffmann fallen Hinrich Horstkotte da sofort ein, wenn der diese „schwarze Romantik“beschreibe­n will, und er erzählt weiter, dass die genaue Stückanaly­se ein wichtiger Teil seiner Arbeit ist. „Ich bin kein Avantgardi­st. Ich nehme mich selbst nicht so wichtig, ich will zum Kern eines Stückes durchdring­en.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Hinrich Horstkotte inszeniert in der neuen Spielstätt­e des Theaters Augsburg im Martinipar­k Carl Maria von Webers „Der Freischütz“.
Foto: Ulrich Wagner Hinrich Horstkotte inszeniert in der neuen Spielstätt­e des Theaters Augsburg im Martinipar­k Carl Maria von Webers „Der Freischütz“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany