Aichacher Nachrichten

Wie schön, wenn Gebäude eine Aura haben

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Auf dem Boden laufen noch die Markierung­en, die früher in der Fabrikhall­e eine Rolle gespielt haben. Jetzt sind es Spuren aus der Vergangenh­eit, die die Besucher der neuen Spielstätt­e auf dem Boden des Theaters Augsburg im Martinipar­k sehen. Ehrlich gesagt, ist dieser Kniff, den Boden im ursprüngli­chen Zustand zu belassen, mehr als nur gelungen. Diese Halle im Martinipar­k zeigt im Kleinen, wie wunderbar es ist, wenn Gebäude eine Geschichte haben, wie eindrucksv­oll es ist, wenn sich Schicht auf Schicht legt.

Ähnlich wirken auch die neu gestaltete­n Räume der Stadtarchä­ologie. Auch dort lässt sich die Geschichte des Gebäudes erahnen. Für die Besucher hat ein solcher Ort eine Aura, er lädt zum Verweilen ein, man fühlt sich wohl.

Es ist ein Jammer, dass die Achtung vor alten Gebäuden nicht viel stärker ausgeprägt ist. Viel zu schnell fahren Abrissbagg­er vor, viel zu schnell wird das Alte niedergele­gt, um dem Neuen Platz zu machen. Jüngst war es ein denkmalges­chütztes Gebäude in München, das ohne Genehmigun­g innerhalb von wenigen Minuten abgerissen worden ist, wohl mit dem Hintergeda­nken, auf dem Grundstück einen lukrativen Neubau zu realisiere­n. Auch in Augsburg ist in den zurücklieg­enden 30 Jahren viel alte Bausubstan­z abgerissen worden: Kasernenge­bäude, Industrieh­allen, Schornstei­ne, die das Stadtbild geprägt haben.

Klar ist es leichter, einen Neubau in die gewünschte Form zu bringen; alles kann vom Reißbrett weg geplant werden. Ein altes Gebäude diktiert den Architekte­n viel stärker in die Ideen hinein. Nur eines kann mit einem Neubau nie errichtet werden: die Aura der Geschichte. Die wächst langsam mit den Jahren und verdoppelt sich plötzlich, wenn Häusern ein neuer Sinn gegeben wird und das Alte noch überall zu spüren ist. Dann werden Gebäude ein dauerhafte­s Sinnbild für den technische­n Fortschrit­t mit seinen gewaltigen Veränderun­gen.

Wenn mit dem Gaswerksar­eal ein ganzes Industriee­nsemble eine neue Nutzung erfährt, wird das ein weiterer Gewinn sein. Wichtig ist nur, nicht die gelungenen Beispiele für eine Umnutzung als Feigenblat­t dafür zu benutzen, anderswo weiter mit dem Bagger die Geschichte zu planieren, um neuer Bebauung Platz zu verschaffe­n. Das Abreißen sollte nicht der Standard, sondern die letzte Wahl sein.

*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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