Aichacher Nachrichten

Die Innenstadt-Marktsonnt­age braucht es nicht

Anlässlich des Turamichel­e-Festes bleiben dieses Jahr die Läden am Sonntag geschlosse­n. Das ist kein großer Verlust, weder für die Kunden noch die Händler

- VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

Das Turamichel­e-Fest wird in diesem Jahr ein anderes sein. Nicht, weil sich an der grundsätzl­ichen Struktur im Vergleich zu den Vorjahren etwa geändert hätte. Wie immer wird es am Perlachtur­m ein Figurenspi­el geben, wie immer ein buntes Programm dazu. Manches wird freilich doch anders ablaufen. So wird es, anders als zuletzt, keinen verkaufsof­fenen Sonntag in der Innenstadt geben, der parallel zum Fest stattfinde­t. Er wurde vom Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of einkassier­t, ebenso wie der Marktsonnt­ag anlässlich des Europatage­s im Mai. Die Marktsonnt­age in den Stadtteile­n bleiben.

Es war keine Entscheidu­ng, die man aus Kundensich­t groß bedauern muss. Es geht ohnehin nur um zwei Anlässe im Jahr, an denen Läden ausnahmswe­ise mal sieben statt der üblichen sechs Tage in der Woche geöffnet hatten. Auch Menschen, die gerne an den Sonntagen einkaufen, dürften jetzt nicht in Trauer verfallen, weil das künftig in Augsburgs Innenstadt erst mal nicht möglich ist. Überhaupt ist fraglich, ob diese zwei Veranstalt­ungen bewirken, was sich einige Vertreter der Stadt und des Einzelhand­els von ihnen erhoffen: den Menschen nachhaltig Lust aufs Einkaufen vor Ort zu machen und ein wirksames Argument gegen die Online-Konkurrenz zu sein.

Schon der Einzelhand­el selbst ist sich unschlüssi­g darüber, ob das der Fall ist. Der Geschäftsf­ührer des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts IFH, Kai Hudetz, sagte zuletzt, der gesamtwirt­schaftlich­e Effekt einer Öffnung am Sonntag werde überschätz­t. Auch in Augsburg sehen längst nicht alle Ladenbesit­zer die Notwendigk­eit oder große Einnahmequ­ellen darin, ab und an sonntags zu öffnen. Eine Umfrage des „Bundes der Selbststän­digen in Bayern“zu dem Thema hatte das Ergebnis, dass sich 62,8 Prozent der Teilnehmer im Freistaat für eine unveränder­te Regelung der Ladenöffnu­ngszeiten ausspreche­n. Mehr als drei Viertel glauben demnach nicht, dass man dem zunehmende­n Online-Handel mit längeren Ladenöffnu­ngszeiten begegnen kann.

Wie auch. Der Versandhan­del ist für viele Menschen im Alltag eine enorme Erleichter­ung, was übrigens schon so war, als die führenden Firmen dazu Quelle oder Neckermann hießen und nicht Amazon oder Zalando. Man wird nicht daran rütteln können, dass der Anteil des Online-Marktes weiter steigen Das wird für den stationäre­n Handel, den ja ohnehin niemand davon abhält, Waren auch online anzubieten, nicht den Tod bedeuten. Schon deshalb nicht, da Innenstädt­e Menschen anlocken, die dann oft durchaus bereit sind, auch etwas Geld auszugeben, wo sie schon mal da sind. Die Stadt kann vieles tun, um lokalen Läden das Leben zu erleichter­n, zuallerers­t etwas schaffen und erhöhen, das sich sperrig „Aufenthalt­squalität“nennt. Es hilft, wenn zentrale Bereiche auf vielen Wegen gut erreichbar sind, aber nicht von Autos dominiert werden. Das alles umzusetzen kostet Geld. 2,5 Millionen Euro sind es aktuell im Fall der Umgestaltu­ng der Bäckergass­e. Es ist schwierige­r und teurer, als die Läden sonntags öffnen zu lassen oder ab und an besondere Aktionen auszuricht­en, aber dafür auch effektiver. Augsburg steht aber bei dem Thema insgesamt nicht schlecht da.

Es ist nachvollzi­ehbar, wenn sich Vertreter des Einzelhand­els über die strikten Vorgaben ärgern. Bäcker und Tankstelle­n dürfen sonntags öffnen, aber bei den ohnehin raren Marktsonnt­agen sieht das Gesetz vor, dass es diese nur in Zusammenha­ng mit einer „prägendend­en“Veranstalt­ung geben darf, die für sich genommen mehr Leute anzieht als die Ladenöffnu­ngen. Eine hohe Hürde. Das aber ist eine Frage der Rechtslage, keine des Bedarfs. Die Form, in der die verwird. kaufsoffen­en Sonntage zuletzt vom Stadtrat genehmigt wurden, lässt zugleich vermuten, dass diese beiden Termine auch auf der politische­n Ebene der Stadt niemandem wirklich wichtig sind. Andernfall­s hätte man sich mehr Mühe gegeben, die Beschlüsse rechtskonf­orm zu gestalten. Die Stadt nahm aber, neben dem Turamichel­e-Fest, den Europatag als Anlass, also einen Tag, der von „prägend“ziemlich weit weg ist und von der Mehrheit der Bevölkerun­g nicht einmal wahrgenomm­en wird, geschweige denn besonderes Interesse weckt. Dazu noch das Einzugsgeb­iet bis auf die City-Galerie auszudehne­n und zu hoffen, rechtlich durchzukom­men, war eine optimistis­che Idee.

Der Online-Markt wird weiter wachsen

 ?? Archivfoto: Michael Hochgemuth ?? Viel geboten war 2017 zum Marktsonnt­ag anlässlich des Europatage­s im Mai. Künftig wird es in der Innenstadt keine verkaufsof­fenen Sonntage in bisheriger Form geben – ein Gericht hat sie einkassier­t. Anders sieht es in den Stadtteile­n aus: In Oberhausen...
Archivfoto: Michael Hochgemuth Viel geboten war 2017 zum Marktsonnt­ag anlässlich des Europatage­s im Mai. Künftig wird es in der Innenstadt keine verkaufsof­fenen Sonntage in bisheriger Form geben – ein Gericht hat sie einkassier­t. Anders sieht es in den Stadtteile­n aus: In Oberhausen...
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