Aichacher Nachrichten

Gericht gibt Schul Brandstift­ern eine Chance

Zwei Schüler haben an der Reischlesc­hen Wirtschaft­sschule Feuer gelegt. Der Schaden ist groß, ein Mitschüler wurde leicht verletzt. Die Täter kommen aus der Untersuchu­ngshaft frei. Was bewirkt Gefängnis bei jungen Tätern?

- VON JÖRG HEINZLE

Es war Faschingsf­reitag. Deshalb fanden sie im Schulhaus die Luftschlan­ge aus Papier, mit der alles begann. Mit der Schlange zündelten zwei Schüler der Reischlesc­hen Wirtschaft­sschule im Alten Postweg zuerst nur ein bisschen herum. Doch noch am selben Tag setzen die beiden, 19 und 21 Jahre alt, mit Papier eine Toilette der Schule in Brand. Und in der Woche nach den Ferien legten sie erneut in einer Toilette Feuer – dieses Mal mit Benzin.

Es war kein Scherz, sondern ein Verbrechen. Für schwere Brandstift­ung sieht das Gesetz mindestens ein Jahr Haft vor. In den Toiletten entstand ein Schaden von rund 30000 Euro. Beim ersten Feuer erlitt ein Schüler eine leichte Rauchvergi­ftung, als er versucht hatte, zu löschen. Am Tag nach dem zweiten Feuer wurden die jungen Brandstift­er festgenomm­en. Für die Schüler hatten die Taten drastische Folgen. Sie kamen in Untersuchu­ngshaft. Der 19-Jährige legte schnell ein Geständnis ab und wurde nach drei Wochen freigelass­en. Der Ältere kam erst an diesem Freitag wieder frei, nachdem der Fall vor dem Amtsgerich­t verhandelt worden ist.

Gegen die jungen Männer verhängte ein Jugendgeri­cht jetzt eine Haftstrafe von je einem Jahr und zehn Monaten – auf Bewährung. Richter Günther Baumann sagte, die Untersuchu­ngshaft habe die Angeklagte­n so massiv beeindruck­t, dass kein weiterer Aufenthalt im Gefängnis nötig sei. Der 19-Jährige sagte im Prozess: „Ich habe in den ersten Tagen in der Haft keine Minute geschlafen.“Er habe viel Zeit gehabt, über sein Verhalten und die Folgen nachzudenk­en. Ähnlich schildert es der 21-Jährige. Es sei eine „sehr harte Zeit“gewesen. Es sei ihm klar geworden, dass er einen großen Fehler gemacht habe.

Unter Fachleuten ist es umstritten, ob ein Gefängnisa­ufenthalt bei jungen Straftäter­n etwas nützt. Oder ob die Haft nicht sogar negativen Einfluss hat, weil man dort Bekanntsch­aft mit anderen Straftäter­n macht. Grundsätzl­ich gilt eine Haftstrafe im Jugendstra­frecht als letztes Mittel. Sie wird verhängt, wenn die Tat so gravierend ist, dass dem Gericht keine andere Wahl bleibt – oder in Fällen, in denen ein Täter kriminell wird. Seit vier Jahren gibt es noch eine weitere Variante, den Warnschuss-Arrest. Das Gericht kann eine Bewährungs­strafe verhängen und gleichzeit­ig bis zu vier Wochen Arrest. Damit der junge Verurteilt­e spürt, wie es sich anfühlt, wenn er rückfällig wird.

Beim 19-jährigen Brandstift­er habe die dreiwöchig­e Haft wie ein Warnschuss gewirkt, ist der Sozialpäda­goge Volker Schwarz von der Jugendgeri­chtshilfe überzeugt. Der junge Mann habe sein Verhalten spürbar geändert. Er nehme stärker am Familienle­ben teil und kümmere sich darum, aus seinem Leben etwas zu machen. Der 19-Jährige flog wegen der Tat von der Schule. Schulleite­r Bernhard Dachser ließ ihn aber nicht fallen. Er bekam den Unterricht­sstoff, um daheim lernen zu können. Er schrieb die Prüfungen für die mittlere Reife dann an einer anderen Schule – und bestand. Jetzt hat er eine Lehre begonnen.

Ein Warnschuss-Arrest oder, wie im aktuellen Fall, eine Zeit in U-Haft, habe bei Tätern, die zuvor nie oder nur wegen Kleinigkei­ten vor Gericht standen, oft einen großen Effekt, sagt Ute Bernhard, die Sprecherin des Amtsgerich­ts. Bei denen, die schon mal im Arrest saßen, sei die Wirkung dagegen eher gering. Am wirksamste­n sind aus ihrer Sicht die pädagogisc­hen Programme des Vereins Brücke, der sich um junge Straftäter kümmert. Der 19-jährige Brandstift­er muss sich jetzt ein Jahr lang regelmäßig mit einem Pädagogen des Vereins treffen. So steht es im Urteil. Seine Anwälte Hermann Kühn und Ralf Schönauer kündigten an, dass der 19-Jährige die Strafe akzeptiert.

Beim älteren Täter verhängte das Gericht eine normale Bewährungs­wiederholt strafe. Er muss zudem 80 Stunden Sozialarbe­it leisten. Weil er zur Tatzeit schon 21 war, lag er knapp über der Altersgren­ze für eine Jugendstra­fe. Der 21-Jährige sagt, er sei zu der Zeit, als sie die Brände legten, frustriert gewesen und habe Ärger mit Lehrern gehabt. So richtig könne er sich die Taten aber nicht erklären. Weil er sich gegenüber Bekannten teils mit den Taten gebrüstet hat, geht das Gericht davon aus, dass er sich vor allem vom Wunsch nach Aufmerksam­keit leiten ließ.

Der Anwalt des 21-Jährigen kritisiert­e die lange Haft. Der junge Mann war zwar im August kurz freigekomm­en. Weil die Staatsanwa­ltschaft fürchtete, er könnte sich wegen seiner türkischen Wurzeln in die Türkei absetzen, musste er aber nach zehn Tagen wieder ins Gefängnis. „Es hat ihm sehr zugesetzt. Er hat massiv Gewicht verloren, ihm sind Haare ausgefalle­n“, so der Anwalt. Dass der 21-Jährige schon mal im Internet ein Symbol der Terrorgrup­pe IS verbreitet haben soll, spielte im Prozess nur ganz am Rande eine Rolle. Die Ermittler fanden keine Hinweise auf religiöse oder politische Motive.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Als es in der Schultoile­tte brannte, rück ten Feuerwehr und Rettungsdi­enst mit einem Großaufgeb­ot an.
Foto: Peter Fastl Als es in der Schultoile­tte brannte, rück ten Feuerwehr und Rettungsdi­enst mit einem Großaufgeb­ot an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany