Bei den Tieren das Herz ausschütten
350 Besucher erfahren mehr über den Paulihof in Unterbernbach. So hilft er traumatisierten Kindern
Kühbach Unterbernbach Um den Esel haben sich viele Besucher versammelt. Das Tier blinzelt entspannt in die Menge, klappt die Ohren mal in die eine Richtung, mal in die andere. Kinder beugen sich von den Armen ihrer Eltern herunter, um das graue Fell oder die weiche Nase zu streicheln. Nach ein paar Minuten trottet der Esel in Richtung der Ställe davon.
Der Tag der offenen Tür auf dem Paulihof in Unterbernbach ermöglicht etwa 350 Besuchern einen Einblick in dessen besondere Arbeit für Kinder. Direkt über die Koppel geht die Führung an Pferden, Eseln und Ponys vorbei. Der Paulihof mit seinen etwa 60 Tieren ist eine heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung des Kinderschutz e. V. Der Schwerpunkt liegt auf tiergestützter Therapie. Erzieherin Jenna Hoge verdeutlicht: „Die Tiere sind unsere Co-Therapeuten.“Sie könnten auch in den Fällen helfen, in denen bereits viele Therapeuten und Heime an ihre Grenzen gestoßen seien. Denn: „Tiere sind grundehrlich und reine Seelentröster.“
Ulrike Heigenmooser hat den Paulihof im Jahr 2005 in Leben gerufen: „Ich habe schon früh gemerkt, welche besondere Wirkung Tiere auf Kinder und Jugendliche ausüben.“Im Moment leben neun Acht- bis 19-Jährige auf dem Gelände. „Alle Kinder haben in irgendeiner Art Misshandlungen und traumatische Erlebnisse erfahren“, erklärt die Pädagogin. Dadurch seien sie oft emotional verschlossen, aggressiv und schwer erreichbar.
Unter dem Tisch mit den InfoBlättern hat es sich Heigenmoosers alter Hund bequem gemacht. Kurze Zeit später wird er von Kindern der Einrichtung zugedeckt. Im Fokus steht auf dem Paulihof die Beziehungsarbeit. Ein Mädchen mit blitzenden grünen Augen schildert den Ablauf: „Das Reiten kam erst später. Zuerst musste da bei uns eine Verbindung entstehen, so lange, bis das Pony mir hinterhergelaufen ist.“Vor allem für traumatisierte Kinder ist das ein wichtiger, entscheidender Vorgang. Ulrike Heigenmooser sagt: „Tiere spiegeln die Stimmung. Ein Pferd wendet sich ab, wenn sich jemand mit unterdrücktem Zorn nähert.“Deshalb sei eine ehrliche Haltung wichtig. Die Kinder könnten jederzeit ihr Herz bei den Tieren ausschütten, über Gefühle und Wut sprechen, so lange sie diese nicht unterdrückten. Jenna Hoge erklärt, dass sich anhand des Verhaltens der Tiere das eigene besser erklären und vor Augen führen lasse. „Es hat viel Gewicht, wenn sich ein Tier von dir abwendet, das wollen die Kinder nicht“, ergänzt sie. Über Ehrlichkeit und Offenheit lasse sich so eine Beziehung zum Tier aufbauen. Die hierbei gemachten Erfahrungen wiederum könnten auf den Kontakt mit anderen Menschen und dem Umfeld übertragen werden.
Zwei Gänse wackeln lautstark zeternd durch ihren Auslauf. Neben ihnen scharren Hühner im nassen Gras, ein Hahn stolziert mit aufrechtem Gang an den Besuchern vorbei. Die Idylle lässt den großen Aufwand und die viele Arbeit dahinter beinahe vergessen. Die Tiere, die als entscheidende „Co-Therapeuten“ agieren, werden anders als das Personal nicht finanziert. in diesem Fall ist der Hof von Spenden abhängig. Ulrike Heigenmooser erklärt dazu: „Vor allem die Futterund Tierarztkosten sind hoch.“Sie erzählt von einem kranken Pferd, das nach einer teuren Operation trotzdem eingeschläfert werden musste. Am Ende saßen alle Kinder und Erzieher um das tote Tier herum und trauerten gemeinsam. „Die Trauer gehört wie die Freude zur therapeutischen Arbeit und zum Leben. Die Kinder lernen hier einen ehrlichen Umgang mit allen ihren Gefühlen.“