Heynckes? Ein gelungener Schachzug
Alle Experten, die sich in den vergangenen Tagen den Kopf darüber zerbrochen haben, wer der Bayern-Führung geeignet erscheint, den Rekordmeister wieder auf Kurs zu bringen, haben Rummenigge & Hoeneß offenbar geschmeidig ins Leere lassen. Nicht Thomas Tuchel, der Top-Favorit auf die Ancelotti-Nachfolge, auch keines der Talente, die immer mehr Trainerbänke in der Bundesliga belegen, auch keine der bayern-üblichen Welt-Größen, die gerade ein Sabbatical absolviert, sondern ein 72-jähriger Rentner ist auserwählt.
Der Ruheständler Jupp Heynckes, seit vier Jahren aus dem Geschäft, soll ein viertes Mal in München anheuern. Dass er sich noch ein wenig ziert, mag eine kleine Retourkutsche für schmerzhafte, erzwungene Trennungen in der Vergangenheit sein.
Wenn Heynckes tatsächlich kommt, dann als HalbjahresPlatzhalter. Nicht für den eigenwilligen und schwer zu führenden Tuchel. Den hätten die München schon jetzt haben können. Eher für Julian Nagelsmann, von dem sie in diesen Tagen die Finger gelassen haben, um es sich nicht mit der TSG Hoffenheim zu verscherzen. Kommenden Sommer ist der „Trainer des Jahres 2016“im Kraichgau aber nicht mehr zu halten.
Bis dahin soll Jupp Heynckes die Dinge beim Rekordmeister wieder ordnen. Der Mannschaft Stabilität zurückgeben. Die verunsicherten Akteure aufbauen. Darin ist der väterliche Spielerversteher Meister. Darum rufen ihn Rummenigge & Co. zum vierten Mal an die Säbener Straße. An Heynckes wissen die Bayern, was sie haben. Einen spröden Rheinländer, der gerade Wege geht, Spektakel und Experimente meidet, lieber weniger als mehr redet und niemals vor einem wichtigen Champions League-Spiel die Mannschaft auf den Kopf stellt.
Heynckes steht für Vertrautes und Altbewährtes. Dinge, die Rummenigge & Co. in diesen wieder Mal unruhigen Bayern-Tagen besonders schätzen. Ganz nebenbei umgibt den Senior die Aura des Triple-Gewinners, was für seinen Nachfolger Pep Guardiola eine ewige Bürde war, die er in seinen drei Münchner Jahren nie stemmen konnte.
Sollte sich bestätigen, was sich abzeichnet, dann ist dem FC Bayeren zu diesem Schachzug zu gratulieren. Vielleicht läuft der Alte ja noch einmal zu großer Form auf und holt ein zweites Mal das Triple. Dann sollte Nagelsmann noch einmal darüber nachdenken, ob er tatsächlich nach München möchte.