Aichacher Nachrichten

Sind Medien schuld am AfD-Erfolg? Das meinen Sie

- VON DANIEL WIRSCHING

Mediensche­lte?! Christian Stöcker von Spiegel Online reihte in seiner am Tag der Bundestags­wahl veröffentl­ichten Kolumne Zitat an Zitat – von AfD-Politikern. Er begann mit Alexander Gauland, der sagte, „wir“hätten „das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriege­n“. Und er schloss mit der dringenden Bitte, „nicht die AfD zu wählen“. Es gebe andere Möglichkei­ten, seiner Unzufriede­nheit Ausdruck zu verleihen.

Ein Nutzer schrieb: Ihn beunruhige, dass ein Journalist offen Wahlempfeh­lungen gebe. „Für mich ist das eher ein Grund, die AfD aus reinem Trotz zu wählen.“Womit wir bei jenen Fragen sind, die ich Ihnen, liebe Leser(-innen), gestellt habe:

1. Wie sollten Medien mit der AfD umgehen?

2. Wurde der Rechtsruck herbeigeta­lkt? Haben ARD und ZDF die AfD mit ihrer Berichters­tattung erst groß gemacht?

Diese Fragen beschäftig­en Sie offenbar sehr, danke für Ihre Mails! Hier einige Auszüge:

● „Es gibt sicherlich keine Alleinvera­ntwortung der Medien für den Erfolg der Rechtspopu­listen. Allerdings haben die Medien auch bereitwill­ig jede Provokatio­n wiedergege­ben und damit auch Partei (die AfD,

die Red.) und Personen in den Vordergrun­d gerückt.“

● „Vielleicht kommt die „Mediensche­lte“auch daher, dass sich die Medien jeglicher Kritik verweigern bzw. aufkommend­e Kritik, auch wenn sie bewiesen ist, sofort unterdrück­t wird.“

● Die Berichters­tattung über die „AfD in den Programmen ARD und

ZDF ist m.E. der Berichtspf­licht geschuldet. Die sogenannte­n etablierte­n Parteien sind es doch selbst, die permanent ihre „Sorge“wegen jener Partei in die Öffentlich­keit tragen. Das erzeugt bei uns „Normalos“Neugier.“

● „Es ist wichtig und richtig, dass die Medien über die aktuellen Ereignisse, Probleme usw. umfangreic­h informiere­n. Wenn die regierende­n Parteien, vor allem deren Repräsenta­nten, sich der Sorgen und Nöte des Volkes annehmen würden, kämen nicht solche Wahlergebn­isse...heraus.“

● „Wenn man die Talks verfolgt hat – so musste man feststelle­n, dass im Beisein der AfD ständig nur das Thema Flüchtling­e und Integratio­n befeuert wurde . ... Die AfD wurde nie zu ihrem politische­m Zukunftspr­ogramm wie Rente, Sozialabsi­cherung usw. befragt. Diese Themen hätten die Herrschaft­en vorgeführt und nicht unterstütz­t...Ich finde auch in Ordnung, dass auch wir an der Presse mal Kritik üben sollten – da wo sie angebracht ist. Die Presse sollte auch nicht Kritik mit Schuldzuwe­isung verwechsel­n. Selbstkrit­ik wäre auch bei der Presse angebracht.“Ich habe viele weitere Mails erhalten, die ich nach und nach hier auszugswei­se veröffentl­ichen werde. Vielleicht interessie­rt Sie ja auch meine Meinung? Meine Antworten auf die Fragen, in aller Kürze: 1. Medien/Journalist­en sollten so gründlich wie nur möglich recherchie­ren; faktengetr­eu berichten, was sie anhand journalist­ischer Kriterien für berichtens­wert erachten; Zusammenhä­nge offenlegen und erklären; streng zwischen Bericht und Kommentar trennen; ihre Arbeitswei­se transparen­ter machen; empfänglic­h für (Selbst-)Kritik sein. Eine journalist­ische Sonderbeha­ndlung darf es für die AfD nicht geben.

2. Die öffentlich-rechtliche­n Polit-Talkshows sind in der Tat problemati­sch in ihrem Themen- und Gäste-Einerlei. Und dem wiederkehr­enden Versagen der Moderatore­n, ihre Gäste sachlich zu stellen – sie in einen Dialog zu zwingen, der sich durch Argumente auszeichne­t und nicht in (populistis­chem) Wortgeklim­per erschöpft.

Den Polit-Talks eine Verantwort­ung für den „Rechtsruck“zu geben, ist aber zu einfach gedacht und polemisch. Es verkennt deren tatsächlic­he Wirkmächti­gkeit und deren Aufgabe. Keine Talkshow, kein Journalist hat einen Politiker oder eine Partei groß oder klein zu machen. Sie/Er muss dessen/deren Positionen herausarbe­iten, hinterfrag­en, zur Diskussion stellen.

Insgesamt betrachtet berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor der Bundestags­wahl breit über Parteien und Themen. Das ist sein Auftrag. Nicht zu berichten – etwa über die AfD – ist für Journalist­en keine Option, nicht nur, weil sie sich dann dem Vorwurf aussetzen würden, Dinge verschweig­en zu wollen.

Es kommt darauf an, wie berichtet wird. Ein Beispiel: Wenn Gauland als Gesicht einer Fast-13-Prozent-Partei ankündigt, „Frau Merkel jagen“zu wollen, lässt sich das als programmat­ische Aussage verstehen. Nun muss man nicht über jedes Stöckchen springen, wie es so schön heißt, und damit das Spiel der Populisten, Nationalis­ten, Geschichts­revisionis­ten, Rassisten mitspielen. Gaulands Ansage muss kein Aufmacher, keine Schlagzeil­e sein. Sie kann klein(er) registrier­t werden. Vor allem aber sollte sie Anlass dazu sein, künftig ganz konkret über die Arbeit und die Politik der AfD im Bundestag zu berichten.

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