Literaturnobel Preisträger: ein Außenseitererfolg, aber verdient
Professor Martin Middekes Studenten kennen Kazuo Ishiguro. Bibliothekar Marius Müller hatte dessen Bücher erst vorgestern in der Hand
Kazuo Ishiguro – dieser Name stand wohl nur bei wenigen auf der Liste möglicher Literaturnobelpreisträger. Doch der japanischstämmige Schriftsteller, der seit seiner Kindheit in England lebt und laut einer Kritik „schönstes“Englisch schreibt, hat ihn gewonnen, diesen wichtigen Literaturpreis.
Eine Überraschung sei es schon, findet Professor Martin Middeke, Lehrstuhlinhaber für englische Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg. Ein englischsprachiger Schriftsteller wie Salman Rushdie hätte näher gelegen. „Ein Außenseitererfolg, aber ein verdienter“, sagt Middeke. Als Professor hat er sich mit ihm schon oft beschäftigt, sowohl in Seminaren als auch in wissenschaftlichen Texten. „Er ist eine der wichtigsten englischen Stimmen der Gegenwart.“Studenten empfehle er vor allem dessen Welterfolg „Was vom Tage übrig blieb“. In dem Roman werde deutlich, was den Schriftsteller auszeichne: Er biete glänzende Unterhaltung, verwebe das mit wichtigen historischen Themen und sei auch noch ein innovativer Erzähler. In „Was vom Tage übrig blieb“sei seine Hauptfigur, der Butler, in einem ethischen Dilemma gefangen. Wegen seines Berufs-Ehrbegriffs verpasse er seine große Liebe und sympathisiere dann auch noch mit den Nazis. Das zweite Buch, das Middeke empfiehlt, ist „Alles, was wir geben mussten“. Der Roman handle von Klonen, die als menschliche Ersatzteillager dienen, also ein ausgesprochen zeitgenössisches Thema.
„Eine gute Wahl“, findet Marius Müller, Leiter der Stadtteilbücherei in Göggingen. Gerade vorgestern habe er die Bücher Ishiguros in seinem privaten Regal etwas nach unten geräumt, „aber jetzt werden sie wohl wieder nach oben wandern“. Nach den eher experimentellen Ansätzen in den vergangenen beiden Jahren mit Bob Dylan und Swetlana Alexijewitsch sei Ishiguro ein sehr zugänglicher Autor, begründet Müller seine Meinung. „Seine Sprache hat einen sehr angenehmen Sound“, urteilt er, außerdem zeichne den Schriftsteller die Breite der Themen aus. „Alles was wir geben mussten“, empfiehlt der Müller zum Einstieg in das Werk Ishiguros.
Dieses Buch will sich Brigitte Meyr, Miteigentümerin der Buchhandlung Rieger & Kranzfelder, als Nächstes vornehmen. Als einziges Buch des Autors hat Meyr „Was vom Tage übrig blieb“gelesen. „Als der Film mit Anthony Hopkins und Emma Thompson in den Kinos lief, hatte der Schriftsteller einen Auftrieb“, erinnert sie sich, doch seitdem sei es ruhig um ihn gewesen. Nach der Bekanntgabe in Stockholm gab es aber bereits eine telefonische Vorbestellung. Sehr froh ist Brigitte Meyr darüber, dass die Nobelpreis-Jury wieder einen „richtigen“Schriftsteller ausgezeichnet hat. „Bob Dylan als Nobelpreisträger fand ich fragwürdig.“
In den Augsburger Buchläden werden Leser, die neugierig auf den neuen Nobelpreisträger sind, kaum fündig werden. „ Es ist wenig lieferbar“, sagt Anja Völlger, Filialleiterin von Bücher Pustet, „aber ich bin mir sicher, dass die Druckmaschine läuft“. Glück haben zwei Leser in Augsburg, die offenbar den richtigen „Riecher“hatten. Sie hatten sich schon vor einiger Zeit ein Buch Kazuo Ishiguros in der Stadtbücherei ausgeliehen.