Immer mehr Medikamente per Mausklick
Menschen bestellen zunehmend Arzneimittel über das Internet. Der Druck auf die Apotheken im Landkreis Aichach-Friedberg steigt. Am Ende könnten das auch die Kunden zu spüren bekommen. Was die Apotheker fordern
Aichach Friedberg Von Ginko-Tabletten über Aspirin bis zur Diabetikernadel haben Versandapotheken alles im Sortiment. Kunden können Medikamente ganz einfach über das Internet bestellen, meist zu einem günstigeren Preis als in der Apotheke vor Ort. Das hat Folgen, wie Apotheker aus der Region erklären.
„Die Internetapotheken schöpfen sich die Sahnehäubchen ab, und die Vor-Ort-Apotheken bleiben auf der Strecke“, sagt Gabriele Rühl von der Lindenapotheke in Friedberg. Sie habe es schon öfter erlebt, dass Leute anrufen, sich zu einem Medikament beraten lassen, womöglich noch nach dem Preis fragen und dann nichts mehr von sich hören lassen. „Wir leisten die Beratung und haben den Zeitaufwand, aber bestellt wird das Arzneimittel dann im Internet“, so Rühl.
Mathias Weilnhammer nennt das Beratungstourismus. Als Inhaber der Engelapotheke und der Antoniusapotheke in Kissing kennt auch er das Problem. „Es ist kein fairer Wettbewerb“, betont er. Ausländische Versandhändler müssten sich nicht an die Preisbindung halten und dürften im Gegensatz zu inländischen Apotheken mit Rabatten locken. „Andererseits erbringen sie nicht die Leistungen, die eine Apotheke vor Ort bietet, wie Beratung durch qualifizierte Fachkräfte, Notdienst oder die Herstellung von Rezepturen“, erklärt Weilnhammer. Gerade diese Leistungen seien für die Bevölkerung wichtig.
Gabriele Fläxl von der Wittelsbacher Apotheke in Aichach sieht auch, wie schwierig die Situation ist. Sie gehört zu den Führungskräften und ist für den Einkauf zuständig, ihrem Ehemann Georg gehört die Apotheke. „Wir übernehmen die Beratung und auch die Notdienste. Dazu sind wir verpflichtet. Wir machen quasi die Knochenarbeit, die großen Shops aber angeln sich das dicke Geschäft.“Und Fläxl sieht auch die rechtliche Situation kritisch: „Ein holländischer Versandhändler, der nach Deutschland liefert – an welche Gesetze muss der sich halten?“
Die Apotheke am Aichacher Stadtplatz versucht deshalb mit ver- schiedenen Angeboten, die Kundschaft anzulocken. Ein Zustellservice etwa liefert Medikamente zweimal täglich nach Hause. „Das ist gerade für die ländlichen Kunden, die nicht so mobil sind, aber Medikamente dringend brauchen, interessant“, so Fläxl. „Wir wollen nicht nur das anbieten, was wir müssen, sondern auch als wirtschaftliches Unternehmen bestehen“, sagt sie. Deshalb hat die Wittelsbacher Apotheke seit 2011 ihren eigenen Versandshop im Internet. Bundesweit werden darüber Medikamente bestellt und versendet. Aber es ist auch möglich, online zu bestellen und die Arzneien dann vor Ort abzuholen. Für Fläxl ist das „eine gute Mischung aus beidem“.
Noch ist der Marktanteil der Versandapotheken relativ gering. 2016 wurde deutschlandweit etwa ein Prozent des Umsatzes durch verschreibungspflichtige Medikamente über den Versand erzielt. Bei rezeptfreien Arzneien waren es 13 Prozent. Doch in den Filialen vor Ort machen sich die Auswirkungen bereits bemerkbar. „Die Versandapotheken töten uns nicht unmittelbar, aber es ist ein harter Wettbewerb, der mit ungleichen Waffen geführt wird“, so Weilnhammer. Gerade bei Arzneien für den täglichen Bedarf, bei denen aus Sicht der Kunden keine Beratung notwendig ist, sei die Konkurrenz durch die Versandapotheken spürbar. Diabetikerzubehör wie Nadeln oder Teststreifen würden immer häufiger über das Internet bestellt, da es dort günstiger zu haben ist. Aber auch Medikamente wie Aspirin würden bei Versandapotheken gekauft. „Viele Kunden sehen da keinen Beratungsbedarf, aber der ist notwendig, besonders wenn parallel andere Medikamente genommen werden“, so Weilnhammer. Auch Rühl hält den wachsenden Online-Markt für problematisch. In ländlichen Gebieten gebe es weniger Apotheken als in der Stadt. Dadurch verschärfe sich das Problem mit den Versandapotheken. „Der Preis dafür wird sein, dass die wohnortnahe Versorgung noch schlechter wird“, so Rühl. Um der Konkurrenz aus dem Internet etwas entgegenzusetzen, fordern viele Apotheker ein generelles Versandverbot „Wenn das nicht kommt, haben wir ein Problem“, so Weilnhammer. Er sieht im Online-Versand auch einen volkswirtschaftlichen Schaden. Denn im Gegensatz zu den ausländischen Versandapotheken würden die örtlichen Apotheken ihre Steuern in Deutschland zahlen.
Auch Roman Mayer, Pressesprecher der Apotheker im Landkreis, spricht sich für ein Versandverbot aus. „Es besteht die Angst, dass das stark geregelte System ohne ein Verbot immer weiter aufgeweicht wird“, so Mayer. Im Falle von Medikamenten sei eine Regulierung aber sinnvoll, denn es handele sich um lebenswichtig Produkte. Ohne eine Preisbindung könnte es im Falle einer Medikamentenknappheit auch zu deutlichen Preiserhöhungen kommen. Wie sehr sich der Versandhandel auf die Apotheken vor Ort auswirkt, ließe sich nicht an genauen Zahlen festmachen. In der Stadt sei die Konkurrenz höher und dadurch der Druck durch den Versandhandel vermutlich präsenter. „Aber auch den Apotheken auf dem Land sind mit Sicherheit schon Kunden abgewandert“, so Mayer.
Das Thema scheint heikel. Während Apotheker um ein Versandverbot kämpfen, wird der Kauf günstiger Medikamenten vonseiten der Krankenkassen befürwortet. Nicht jeder Apotheker will überhaupt dazu Stellung nehmen. Man wolle ja nicht jammern oder weitere Kunden verprellen, so eine Apothekerin aus dem Landkreis. Ein anderer erklärt, es sei nachvollziehbar, dass sich Kunden für die günstigeren Angebote der Versandapotheken entscheiden. Allerdings bestehe dabei die Gefahr der Medikamentenfälschung. „Man weiß nicht, was man bekommt“, so ein Apotheker aus dem Landkreis. Es gebe viele Nachahmungspräparate, die sich von den originalen Medikamenten deutlich unterscheiden. Ein Versandverbot verschreibungspflichtiger Medikamente »Kommentar sei sinnvoll.