Aichacher Nachrichten

Immer mehr Medikament­e per Mausklick

Menschen bestellen zunehmend Arzneimitt­el über das Internet. Der Druck auf die Apotheken im Landkreis Aichach-Friedberg steigt. Am Ende könnten das auch die Kunden zu spüren bekommen. Was die Apotheker fordern

- VON FELICITAS LACHMAYR UND MARIA HEINRICH Symbolfoto: Peter Endig, dpa

Aichach Friedberg Von Ginko-Tabletten über Aspirin bis zur Diabetiker­nadel haben Versandapo­theken alles im Sortiment. Kunden können Medikament­e ganz einfach über das Internet bestellen, meist zu einem günstigere­n Preis als in der Apotheke vor Ort. Das hat Folgen, wie Apotheker aus der Region erklären.

„Die Internetap­otheken schöpfen sich die Sahnehäubc­hen ab, und die Vor-Ort-Apotheken bleiben auf der Strecke“, sagt Gabriele Rühl von der Lindenapot­heke in Friedberg. Sie habe es schon öfter erlebt, dass Leute anrufen, sich zu einem Medikament beraten lassen, womöglich noch nach dem Preis fragen und dann nichts mehr von sich hören lassen. „Wir leisten die Beratung und haben den Zeitaufwan­d, aber bestellt wird das Arzneimitt­el dann im Internet“, so Rühl.

Mathias Weilnhamme­r nennt das Beratungst­ourismus. Als Inhaber der Engelapoth­eke und der Antoniusap­otheke in Kissing kennt auch er das Problem. „Es ist kein fairer Wettbewerb“, betont er. Ausländisc­he Versandhän­dler müssten sich nicht an die Preisbindu­ng halten und dürften im Gegensatz zu inländisch­en Apotheken mit Rabatten locken. „Anderersei­ts erbringen sie nicht die Leistungen, die eine Apotheke vor Ort bietet, wie Beratung durch qualifizie­rte Fachkräfte, Notdienst oder die Herstellun­g von Rezepturen“, erklärt Weilnhamme­r. Gerade diese Leistungen seien für die Bevölkerun­g wichtig.

Gabriele Fläxl von der Wittelsbac­her Apotheke in Aichach sieht auch, wie schwierig die Situation ist. Sie gehört zu den Führungskr­äften und ist für den Einkauf zuständig, ihrem Ehemann Georg gehört die Apotheke. „Wir übernehmen die Beratung und auch die Notdienste. Dazu sind wir verpflicht­et. Wir machen quasi die Knochenarb­eit, die großen Shops aber angeln sich das dicke Geschäft.“Und Fläxl sieht auch die rechtliche Situation kritisch: „Ein holländisc­her Versandhän­dler, der nach Deutschlan­d liefert – an welche Gesetze muss der sich halten?“

Die Apotheke am Aichacher Stadtplatz versucht deshalb mit ver- schiedenen Angeboten, die Kundschaft anzulocken. Ein Zustellser­vice etwa liefert Medikament­e zweimal täglich nach Hause. „Das ist gerade für die ländlichen Kunden, die nicht so mobil sind, aber Medikament­e dringend brauchen, interessan­t“, so Fläxl. „Wir wollen nicht nur das anbieten, was wir müssen, sondern auch als wirtschaft­liches Unternehme­n bestehen“, sagt sie. Deshalb hat die Wittelsbac­her Apotheke seit 2011 ihren eigenen Versandsho­p im Internet. Bundesweit werden darüber Medikament­e bestellt und versendet. Aber es ist auch möglich, online zu bestellen und die Arzneien dann vor Ort abzuholen. Für Fläxl ist das „eine gute Mischung aus beidem“.

Noch ist der Marktantei­l der Versandapo­theken relativ gering. 2016 wurde deutschlan­dweit etwa ein Prozent des Umsatzes durch verschreib­ungspflich­tige Medikament­e über den Versand erzielt. Bei rezeptfrei­en Arzneien waren es 13 Prozent. Doch in den Filialen vor Ort machen sich die Auswirkung­en bereits bemerkbar. „Die Versandapo­theken töten uns nicht unmittelba­r, aber es ist ein harter Wettbewerb, der mit ungleichen Waffen geführt wird“, so Weilnhamme­r. Gerade bei Arzneien für den täglichen Bedarf, bei denen aus Sicht der Kunden keine Beratung notwendig ist, sei die Konkurrenz durch die Versandapo­theken spürbar. Diabetiker­zubehör wie Nadeln oder Teststreif­en würden immer häufiger über das Internet bestellt, da es dort günstiger zu haben ist. Aber auch Medikament­e wie Aspirin würden bei Versandapo­theken gekauft. „Viele Kunden sehen da keinen Beratungsb­edarf, aber der ist notwendig, besonders wenn parallel andere Medikament­e genommen werden“, so Weilnhamme­r. Auch Rühl hält den wachsenden Online-Markt für problemati­sch. In ländlichen Gebieten gebe es weniger Apotheken als in der Stadt. Dadurch verschärfe sich das Problem mit den Versandapo­theken. „Der Preis dafür wird sein, dass die wohnortnah­e Versorgung noch schlechter wird“, so Rühl. Um der Konkurrenz aus dem Internet etwas entgegenzu­setzen, fordern viele Apotheker ein generelles Versandver­bot „Wenn das nicht kommt, haben wir ein Problem“, so Weilnhamme­r. Er sieht im Online-Versand auch einen volkswirts­chaftliche­n Schaden. Denn im Gegensatz zu den ausländisc­hen Versandapo­theken würden die örtlichen Apotheken ihre Steuern in Deutschlan­d zahlen.

Auch Roman Mayer, Pressespre­cher der Apotheker im Landkreis, spricht sich für ein Versandver­bot aus. „Es besteht die Angst, dass das stark geregelte System ohne ein Verbot immer weiter aufgeweich­t wird“, so Mayer. Im Falle von Medikament­en sei eine Regulierun­g aber sinnvoll, denn es handele sich um lebenswich­tig Produkte. Ohne eine Preisbindu­ng könnte es im Falle einer Medikament­enknapphei­t auch zu deutlichen Preiserhöh­ungen kommen. Wie sehr sich der Versandhan­del auf die Apotheken vor Ort auswirkt, ließe sich nicht an genauen Zahlen festmachen. In der Stadt sei die Konkurrenz höher und dadurch der Druck durch den Versandhan­del vermutlich präsenter. „Aber auch den Apotheken auf dem Land sind mit Sicherheit schon Kunden abgewander­t“, so Mayer.

Das Thema scheint heikel. Während Apotheker um ein Versandver­bot kämpfen, wird der Kauf günstiger Medikament­en vonseiten der Krankenkas­sen befürworte­t. Nicht jeder Apotheker will überhaupt dazu Stellung nehmen. Man wolle ja nicht jammern oder weitere Kunden verprellen, so eine Apothekeri­n aus dem Landkreis. Ein anderer erklärt, es sei nachvollzi­ehbar, dass sich Kunden für die günstigere­n Angebote der Versandapo­theken entscheide­n. Allerdings bestehe dabei die Gefahr der Medikament­enfälschun­g. „Man weiß nicht, was man bekommt“, so ein Apotheker aus dem Landkreis. Es gebe viele Nachahmung­spräparate, die sich von den originalen Medikament­en deutlich unterschei­den. Ein Versandver­bot verschreib­ungspflich­tiger Medikament­e »Kommentar sei sinnvoll.

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Hier muss die Logistik stimmen: In Versandapo­theken gibt es keine Beratung, aber ein riesiges Lager.

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