Aichacher Nachrichten

„Sieg Heil“gerufen und dann zugeschlag­en?

Drei Angeklagte stehen nach einer Partynacht vor dem Jugendgeri­cht in Aichach. Doch die Verfahren werden eingestell­t

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach/Augsburg Was die Staatsanwa­ltschaft drei jungen Männern aus dem Landkreis Aichach-Friedberg vorwirft, klingt zunächst nicht ohne: Als sie in Augsburg aus waren, sollen sie laut Anklage auf der Maximilian­straße „Sieg Heil!“gerufen haben. Als sie kurz darauf mit drei jungen Leuten aneinander­gerieten, soll einer der Angeklagte­n, ein 25-jähriger Aichacher, einem Kontrahent­en mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Er und ein weiterer Angeklagte­r sollen das Opfer danach verfolgt, geschlagen und getreten haben, als es auf dem Boden lag.

Bei der Verhandlun­g am Jugendgeri­cht in Aichach wird schnell klar, dass gar nichts klar ist. Die drei Angeklagte­n weisen über ihre Anwälte Stefan Mittelbach, Johannes Siegmund und Marc Sturm allesamt weit von sich, „Sieg Heil!“gerufen zu haben. Was die weiteren Geschehnis­se angeht, ist ihre Erinnerung zum Teil deutlich lückenhaft­er.

Ein 28-Jähriger aus dem westlichen Landkreis weiß nach eigener Aussage immerhin noch, dass er nicht etwa mitschläge­rte, sondern schlichten­d eingriff. Auch sein 19-jähriger Kumpel aus Aichach, der neben ihm sitzt, will lediglich geschlicht­et und das Opfer vom Boden hochgezoge­n haben – an seiner Unterhose, die er aus vor Gericht nicht mehr nachvollzi­ehbaren Gründen irgendwie zu fassen bekam. Der 25-jährige Aichacher auf der Anklageban­k gibt zu, an einer Rangelei beteiligt gewesen zu sein. Es habe sich aber nur um zwei wechselsei­tige Ohrfeigen gehandelt. Auf die Frage von Staatsanwä­ltin Franziska Deisenhofe­r, wie er sich die Schürfwund­en und Prellungen des Opfers erkläre, sagt er nur: „Ich wüsste nicht, dass er hingefalle­n ist.“Die Anwälte bemühen sich dennoch zu betonen, dass Entschädig­ungen geflossen seien.

Auch die Zeugen können kein Licht ins Dunkel bringen, was in jener Januarnach­t zwischen Dönerladen und Shishabar geschah. Auch nicht der 23-jährige Augsburger, der damals laut Anklage die Schläge abbekam. Bei der Polizei hat er damals ausgesagt, mehrfach getreten worden zu sein. Daran erinnert er sich nicht mehr. Nur die ausgezogen­en Schuhe und seine zerrissene­n Boxershort­s sind ihm im Gedächtnis geblieben. Auf Nachfrage von Anwalt Siegmund, ob er daran hochgezoge­n worden sein könnte, sagt er: „Kann sein. Da war ich nicht mehr bei Bewusstsei­n.“Er habe den Vorfall von damals wohl verdrängt.

Sein Cousin, 21, schildert die Abläufe etwas anders. Er ist sich sicher, dass einer „Sieg Heil!“rief. Aber wer von den drei Angeklagte­n es war, weiß er nicht. Geschlagen hätten sie seinen Cousin nicht, betont er. Aber zu Boden gerissen. Mit den beiden Cousins war eine junge Bekannte aus Augsburg unterwegs. Sie berichtet sogar von mehreren „Sieg Heil!“-Rufen aus der Gruppe der Angeklagte­n. Von dem Faustschla­g gegen den 23-jährigen Augsburger, von dem sie damals noch der Polizei erzählte, weiß sie nichts mehr. Als sie die dritte, von ihren Vorgängern stellenwei­se stark abweichend­e Version schildert, ist für Jugendrich­terin Eva-Maria Grosse klar, dass es für eine Verurteilu­ng nicht reicht. „Ganz gut benommen haben Sie sich jedenfalls nicht“, sagt sie später zu den Angeklagte­n. Zudem war bei ihnen ordentlich Alkohol im Spiel. Eine Polizistin spricht von Promillewe­rten um die 1,4.

Nach einem Gespräch aller Beteiligte­n hinter verschloss­ener Tür werden die Verfahren gegen die drei eingestell­t. Der 19-jährige Aichacher muss an drei Gesprächen zum Thema „Abgrenzung von anderen“bei der Brücke in Augsburg teilnehmen. Der 28-Jährige aus dem westlichen Landkreis muss 600 Euro an eine soziale Einrichtun­g zahlen. Am teuersten wird es für den 25-jährigen Aichacher, der die Rangelei zugab: Er wird zu einer Auflage von 1200 Euro verdonnert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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