„Sieg Heil“gerufen und dann zugeschlagen?
Drei Angeklagte stehen nach einer Partynacht vor dem Jugendgericht in Aichach. Doch die Verfahren werden eingestellt
Aichach/Augsburg Was die Staatsanwaltschaft drei jungen Männern aus dem Landkreis Aichach-Friedberg vorwirft, klingt zunächst nicht ohne: Als sie in Augsburg aus waren, sollen sie laut Anklage auf der Maximilianstraße „Sieg Heil!“gerufen haben. Als sie kurz darauf mit drei jungen Leuten aneinandergerieten, soll einer der Angeklagten, ein 25-jähriger Aichacher, einem Kontrahenten mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Er und ein weiterer Angeklagter sollen das Opfer danach verfolgt, geschlagen und getreten haben, als es auf dem Boden lag.
Bei der Verhandlung am Jugendgericht in Aichach wird schnell klar, dass gar nichts klar ist. Die drei Angeklagten weisen über ihre Anwälte Stefan Mittelbach, Johannes Siegmund und Marc Sturm allesamt weit von sich, „Sieg Heil!“gerufen zu haben. Was die weiteren Geschehnisse angeht, ist ihre Erinnerung zum Teil deutlich lückenhafter.
Ein 28-Jähriger aus dem westlichen Landkreis weiß nach eigener Aussage immerhin noch, dass er nicht etwa mitschlägerte, sondern schlichtend eingriff. Auch sein 19-jähriger Kumpel aus Aichach, der neben ihm sitzt, will lediglich geschlichtet und das Opfer vom Boden hochgezogen haben – an seiner Unterhose, die er aus vor Gericht nicht mehr nachvollziehbaren Gründen irgendwie zu fassen bekam. Der 25-jährige Aichacher auf der Anklagebank gibt zu, an einer Rangelei beteiligt gewesen zu sein. Es habe sich aber nur um zwei wechselseitige Ohrfeigen gehandelt. Auf die Frage von Staatsanwältin Franziska Deisenhofer, wie er sich die Schürfwunden und Prellungen des Opfers erkläre, sagt er nur: „Ich wüsste nicht, dass er hingefallen ist.“Die Anwälte bemühen sich dennoch zu betonen, dass Entschädigungen geflossen seien.
Auch die Zeugen können kein Licht ins Dunkel bringen, was in jener Januarnacht zwischen Dönerladen und Shishabar geschah. Auch nicht der 23-jährige Augsburger, der damals laut Anklage die Schläge abbekam. Bei der Polizei hat er damals ausgesagt, mehrfach getreten worden zu sein. Daran erinnert er sich nicht mehr. Nur die ausgezogenen Schuhe und seine zerrissenen Boxershorts sind ihm im Gedächtnis geblieben. Auf Nachfrage von Anwalt Siegmund, ob er daran hochgezogen worden sein könnte, sagt er: „Kann sein. Da war ich nicht mehr bei Bewusstsein.“Er habe den Vorfall von damals wohl verdrängt.
Sein Cousin, 21, schildert die Abläufe etwas anders. Er ist sich sicher, dass einer „Sieg Heil!“rief. Aber wer von den drei Angeklagten es war, weiß er nicht. Geschlagen hätten sie seinen Cousin nicht, betont er. Aber zu Boden gerissen. Mit den beiden Cousins war eine junge Bekannte aus Augsburg unterwegs. Sie berichtet sogar von mehreren „Sieg Heil!“-Rufen aus der Gruppe der Angeklagten. Von dem Faustschlag gegen den 23-jährigen Augsburger, von dem sie damals noch der Polizei erzählte, weiß sie nichts mehr. Als sie die dritte, von ihren Vorgängern stellenweise stark abweichende Version schildert, ist für Jugendrichterin Eva-Maria Grosse klar, dass es für eine Verurteilung nicht reicht. „Ganz gut benommen haben Sie sich jedenfalls nicht“, sagt sie später zu den Angeklagten. Zudem war bei ihnen ordentlich Alkohol im Spiel. Eine Polizistin spricht von Promillewerten um die 1,4.
Nach einem Gespräch aller Beteiligten hinter verschlossener Tür werden die Verfahren gegen die drei eingestellt. Der 19-jährige Aichacher muss an drei Gesprächen zum Thema „Abgrenzung von anderen“bei der Brücke in Augsburg teilnehmen. Der 28-Jährige aus dem westlichen Landkreis muss 600 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen. Am teuersten wird es für den 25-jährigen Aichacher, der die Rangelei zugab: Er wird zu einer Auflage von 1200 Euro verdonnert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.