Aichacher Nachrichten

Der deutschdeu­tsche Idiot Ingo Schulze Ein Schelmenro­man über das Geld in Sozialismu­s und Kapitalism­us – geht das gut?

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Ingo Schulze: Peter Holz – Sein glückliche­s Leben erzählt von ihm selbst S. Fischer, 576 Seiten, 22 Euro

Die Idee ist köstlich. Man nehme einen Helden in der DDR, der Wort für Wort glaubt, was ihm die Propaganda von Kindheit an über die zersetzend­e Kraft des Kapitals und das Heil der sozialisti­schen Gesellscha­ft einimpft: der Einzelne als Teil des Gemeinwese­ns. Als schließlic­h doch alles in der Pleite zusammenbr­icht, fällt er zunächst ins Koma – und versucht sich dann eben so rechtschaf­fen wie möglich im Kapitalimu­s des wiedervere­inten Deutschlan­d zu behaupten. Wieder glaubt er an die Verspreche­n des Systems, glaubt an den Segen des Privateige­ntums: Jeder für sich und dadurch alle für das Wachstum des Ganzen. So versucht er auch als plötzliche­r Millionär den Profit für den Wohlstand der Menschen einzusetze­n. Er scheitert aber auch daran. Geld kennt keine Moral, es will, wo es ist, bloß immer mehr werden. Und selbst die vermeintli­ch erhabene Kunst ist längst von Spekulatio­nen verseucht. So sitzt er – die letztmögli­che Heldentat – schließlic­h am Alexanderp­latz und verbrennt einen Tausend-MarkSchein nach dem anderen…

Zu viel verraten? Nein. Denn „Peter Holz – Sein glückliche­s Leben erzählt von ihm selbst“, dieser neue Roman des stets politisch engagierte­n Autors Ingo Schulze, lebt von der Tragikomik all der kleinen Szenen, in denen er serviert wird: zehn Bücher mit jeweils mehr als 20 Kapiteln, eine bunte Revue des persönlich­en Scheiterns und des gesellscha­ftlichen Aberwitzes.

Schulze nimmt dabei Maß an der großen Tradition des Schelmenro­mans. Vom barocken „Simplicius Simpliciss­imus“Grimmelsha­usens über Voltaires aufkläreri­schem „Candide“als Spott auf Leibniz’ Beschreibu­ng unseres Lebens in der „besten aller möglichen Welten“bis zu Dostojewsk­is Jesus-Roman „Der Idiot“als Beleg des Scheiterns des Guten, der Liebe und der Wahrhaftig­keit in der menschlich­en (zumal modernen) Welt – die Spuren lassen sich hier überallhin verfolgen. Sein Held Peter Holz nämlich, aufgewachs­en als Waise, aber von einem herzensgut­en Ehepaar angenommen und aufgezogen, glaubt. An Ideale, an Werte, an den Menschen. Er sieht auch die Not einer Prostituie­rten, hilft ihr, weil er es kann – wird darüber aber unversehen­s zum Betreiber eines eigenen Bordells. Kapitalism­us, Baby!

So führt Ingo Schulze in unstillbar wirkender Lust diesen Helden in immer neue Dramen am Rande der deutsch-deutschen Geschichte. Die

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