Kostenlos mit Bus und Bahn – geht das?
Die Grünen beantragen im Kreistag einen radikalen Systemwechsel beim AVV mit weitreichenden Folgen. Schon jetzt ist aber klar, dass ein Alleingang des Kreises nicht möglich ist
Aichach Friedberg Die Grünen im Wittelsbacher Land halten eine tief greifende Tarifsenkung im Öffentlichen Personennahverkehr für unverzichtbar. Bereits im Mai hat die Kreistagsfraktion darum einen Antrag eingebracht, der dauerhaft sogar zu einer kostenlosen Beförderung führen könnte. Doch geht das so einfach? Die Kreisverwaltung hat da Bedenken, und die leuchten auch den Grünen ein. Ihre Vertreterin im Kreisentwicklungsausschuss, Marion Brülls, lehnte darum am Ende den eigenen Antrag ab und stimmte für einen Alternativvorschlag von Landrat Klaus Metzger (CSU).
Aus Sicht der Grünen sind günstigere Fahrpreise nötig, um den ökonomischen und ökologischen Belastungen entgegenzuwirken, die mit dem Individualverkehr verbunden sind. Dies betreffe die Mittel für den Straßenbau ebenso wie die Schadstoffbelastungen für Mensch und Tier. „Gerade die ökologischen Auswirkungen werden bislang nicht monetär betrachtet, obwohl sie zu vielfachen Erkrankungen und damit auch zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten führen“, so die Fraktionsvorsitzende Katrin Müllegger-Steiger.
Sie verweist außerdem auf die Rolle des Individualverkehrs beim Klimawandel, dessen Auswirkungen auch in Europa immer stärker spürbar würden. Die Grünen schlagen darum folgendes Vorgehen vor:
● Im ersten Schritt soll ein Jahresticket zum Preis von 360 Euro eingeführt werden, das aus ihrer Sicht viele Bürger zum Umsteigen auf Bus und Bahn veranlassen würde.
● Der zweite Schritt wäre dann der ÖPNV zum Nulltarif, was die Akzeptanz weiter erhöhe. Dabei dürfe der Wegfall von Kosten für Tickets und Automaten nicht übersehen werden, so die Grünen.
Ein Alleingang des Landkreises kommt wegen des Tarifverbunds aber nicht infrage, so eine erste rechtliche Einschätzung des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV). Vielmehr müsste sowohl ein 360-Euro-Ticket wie auch die kostenlose Beförderung von allen vier AVV-Gesellschaftern – Stadt und Landkreis Augsburg sowie die Kreise Aichach-Friedberg und Dillingen – gemeinsam beschlossen werden. Für eine abschließende Beurteilung müsste jedoch erst das Projekt mit allen seinen Aspekten exakt beschrieben werden. Klar ist aber bereits, dass die finanziellen Auswirkungen erheblich sind – auch für den Landkreis, der mit 26 Prozent am AVV beteiligt ist und dementsprechend auch ein höheres Defizit mitfinanzieren müsste. Wie berichtet, schießt der Kreis im nächsten Jahr bereits 7,4 Millionen für den Betrieb der Busse und Bahnen im Wittelsbacher Land zu.
Und schon bei der Einführung des 360-Euro-Tickets entgehen dem AVV Einnahmen in Höhe von 20 Millionen Euro. Um diese Lücke zu schließen, müsste der AVV über 56 000 neue Kunden gewinnen – bei derzeit 30000 Abonnenten. Aus Sicht des Gutachters, der auch bei der aktuellen Tarifreform des AVV beteiligt war, wäre dies wohl schon aus Kapazitätsgründen gar nicht zu schultern.
Noch gravierender sind die Folgen beim Nulltarif, der den Wegfall sämtlicher Fahrgeldeinnahmen in Höhe von 71 Millionen Euro bedeuten würde. Dem stünden laut Gutachter allenfalls Einsparungen im mittleren sechsstelligen Bereich gegenüber, wenn keine Tickets mehr verkauft werden müssten.
Landrat Klaus Metzger schlug vor, angesichts dieser Folgen zunächst einmal mit Geschäftsführung und Gesellschaftern im AVV sowie dem Freistaat Bayern über die Möglichkeiten zur Einführung eines 360-Euro-Tickets zu sprechen und dann erneut im Ausschuss zu berichten. Diesen Vorschlag trugen auch die Grünen mit. Mit neun gegen vier Stimmen wurde dieses Vorgehen beschlossen. Klare Ablehnung kam hingegen unter anderem von der SPD, die von den Grünen einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung forderte.