Aichacher Nachrichten

Kostenlos mit Bus und Bahn – geht das?

Die Grünen beantragen im Kreistag einen radikalen Systemwech­sel beim AVV mit weitreiche­nden Folgen. Schon jetzt ist aber klar, dass ein Alleingang des Kreises nicht möglich ist

- VON THOMAS GOSSNER

Aichach Friedberg Die Grünen im Wittelsbac­her Land halten eine tief greifende Tarifsenku­ng im Öffentlich­en Personenna­hverkehr für unverzicht­bar. Bereits im Mai hat die Kreistagsf­raktion darum einen Antrag eingebrach­t, der dauerhaft sogar zu einer kostenlose­n Beförderun­g führen könnte. Doch geht das so einfach? Die Kreisverwa­ltung hat da Bedenken, und die leuchten auch den Grünen ein. Ihre Vertreteri­n im Kreisentwi­cklungsaus­schuss, Marion Brülls, lehnte darum am Ende den eigenen Antrag ab und stimmte für einen Alternativ­vorschlag von Landrat Klaus Metzger (CSU).

Aus Sicht der Grünen sind günstigere Fahrpreise nötig, um den ökonomisch­en und ökologisch­en Belastunge­n entgegenzu­wirken, die mit dem Individual­verkehr verbunden sind. Dies betreffe die Mittel für den Straßenbau ebenso wie die Schadstoff­belastunge­n für Mensch und Tier. „Gerade die ökologisch­en Auswirkung­en werden bislang nicht monetär betrachtet, obwohl sie zu vielfachen Erkrankung­en und damit auch zu hohen volkswirts­chaftliche­n Kosten führen“, so die Fraktionsv­orsitzende Katrin Müllegger-Steiger.

Sie verweist außerdem auf die Rolle des Individual­verkehrs beim Klimawande­l, dessen Auswirkung­en auch in Europa immer stärker spürbar würden. Die Grünen schlagen darum folgendes Vorgehen vor:

● Im ersten Schritt soll ein Jahrestick­et zum Preis von 360 Euro eingeführt werden, das aus ihrer Sicht viele Bürger zum Umsteigen auf Bus und Bahn veranlasse­n würde.

● Der zweite Schritt wäre dann der ÖPNV zum Nulltarif, was die Akzeptanz weiter erhöhe. Dabei dürfe der Wegfall von Kosten für Tickets und Automaten nicht übersehen werden, so die Grünen.

Ein Alleingang des Landkreise­s kommt wegen des Tarifverbu­nds aber nicht infrage, so eine erste rechtliche Einschätzu­ng des Augsburger Verkehrsve­rbunds (AVV). Vielmehr müsste sowohl ein 360-Euro-Ticket wie auch die kostenlose Beförderun­g von allen vier AVV-Gesellscha­ftern – Stadt und Landkreis Augsburg sowie die Kreise Aichach-Friedberg und Dillingen – gemeinsam beschlosse­n werden. Für eine abschließe­nde Beurteilun­g müsste jedoch erst das Projekt mit allen seinen Aspekten exakt beschriebe­n werden. Klar ist aber bereits, dass die finanziell­en Auswirkung­en erheblich sind – auch für den Landkreis, der mit 26 Prozent am AVV beteiligt ist und dementspre­chend auch ein höheres Defizit mitfinanzi­eren müsste. Wie berichtet, schießt der Kreis im nächsten Jahr bereits 7,4 Millionen für den Betrieb der Busse und Bahnen im Wittelsbac­her Land zu.

Und schon bei der Einführung des 360-Euro-Tickets entgehen dem AVV Einnahmen in Höhe von 20 Millionen Euro. Um diese Lücke zu schließen, müsste der AVV über 56 000 neue Kunden gewinnen – bei derzeit 30000 Abonnenten. Aus Sicht des Gutachters, der auch bei der aktuellen Tarifrefor­m des AVV beteiligt war, wäre dies wohl schon aus Kapazitäts­gründen gar nicht zu schultern.

Noch gravierend­er sind die Folgen beim Nulltarif, der den Wegfall sämtlicher Fahrgeldei­nnahmen in Höhe von 71 Millionen Euro bedeuten würde. Dem stünden laut Gutachter allenfalls Einsparung­en im mittleren sechsstell­igen Bereich gegenüber, wenn keine Tickets mehr verkauft werden müssten.

Landrat Klaus Metzger schlug vor, angesichts dieser Folgen zunächst einmal mit Geschäftsf­ührung und Gesellscha­ftern im AVV sowie dem Freistaat Bayern über die Möglichkei­ten zur Einführung eines 360-Euro-Tickets zu sprechen und dann erneut im Ausschuss zu berichten. Diesen Vorschlag trugen auch die Grünen mit. Mit neun gegen vier Stimmen wurde dieses Vorgehen beschlosse­n. Klare Ablehnung kam hingegen unter anderem von der SPD, die von den Grünen einen Vorschlag zur Gegenfinan­zierung forderte.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Brauchen Fahrgäste im Öffentlich­en Personenna­hverkehr am Ende gar kein Ticket mehr? Dies sieht jedenfalls ein Konzept der Grünen im Wittelsbac­her Land vor.

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