Aichacher Nachrichten

Schäuble: „Prügeln sollten wir uns hier nicht“

Neuer Bundestags­präsident fordert fairen Umgang. Dann gibt es den ersten Eklat

- VON MARTIN FERBER

Berlin Als Wolfgang Schäuble 1972 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, war fast alles anders. Es gab nur drei Parteien im Parlament, Willy Brandt war Kanzler und der Kalte Krieg in vollem Gange. Eine Gemeinsamk­eit zur heutigen Zeit hat der CDU-Politiker, der gestern zum Präsidente­n des neuen Bundestags gewählt wurde, aber doch gefunden. Auch damals sei die Atmosphäre spannungsg­eladen gewesen. Und heute? „Es gab in den vergangene­n Monaten in unserem Land Töne der Verächtlic­hmachung und Erniedrigu­ng. Das hat keinen Platz in einem zivilisier­ten Miteinande­r“, mahnt Schäuble in seiner Antrittsre­de.

Auch wenn er die AfD-Abgeordnet­en, die im Plenarsaal ganz rechts Platz nehmen, nicht direkt anspricht, weiß jeder, wer mit seinem Appell gemeint ist, die parlamenta­rischen Regeln einzuhalte­n. Doch Schäuble will nicht nur als Mahner auftreten, sondern auch Zuversicht vermitteln. Er wisse aus eigenem Erleben, dass Erregung und Krisengefü­hle so neu nicht sind. Deshalb sehe er mit Gelassenhe­it den Auseinande­rsetzungen entgegen, „die wir in den kommenden Jahren führen werden“. Das Parlament habe diese Diskussion­en „stellvertr­etend für die Gesellscha­ft“zu führen, die die Abgeordnet­en „eben auch in ihrer Vielheit und Verschiede­nheit repräsenti­eren“. Alle 709 Abgeordnet­en des größten Bundestags aller Zeiten seien aus der Mitte der Bürgerinne­n und Bürger gewählt. „Niemand aber, niemand vertritt alleine ,das‘ Volk.“Bei allem Streit, der emotional, sachlich und nachvollzi­ehbar bleiben müsse, gelte es, Respekt füreinande­r zu haben und Fairness zu zeigen. „Prügeln sollten wir uns hier nicht.“Und wenn die Mehrheit einen Kompromiss gefunden habe, gehöre es zu den Regeln, diese nicht als „illegitim oder verräteris­ch oder sonst wie zu denunziere­n“.

Der Einzug der AfD prägt die erste Sitzung. Deren Antrag, nicht den dienstälte­sten Abgeordnet­en, sondern den an Jahren ältesten Abgeordnet­en zum Alterspräs­identen zu wählen – der aus ihren Reihen käme –, lehnen die anderen Fraktionen geschlosse­n ab. Also eröffnete der 76-jährige FDP-Politiker Hermann Otto Solms die erste Sitzung der neuen Legislatur­periode. Auch er beschäftig­te sich mit der AfD und warnte, „Sonderrege­lungen zu schaffen, auszugrenz­en oder gar zu stigmatisi­eren“. Gleichzeit­ig nahm er die Abgeordnet­en der neuen Fraktion in die Pflicht: Demokratie bedeute, dass man mit Mehrheit entscheide, aber die Rechte von Minderheit­en achte.

Bei der Wahl der Vizepräsid­enten kommt es dann zum ersten Eklat, wie Bernhard Junginger in der Poli tik beschreibt. Und im Leitartike­l erklärt Walter Roller, worauf es im neuen Bundestag ankommen wird.

„Verächtlic­hmachung und Erniedrigu­ng: Das hat keinen Platz in einem zivilisier­ten Miteinande­r.“

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble

Newspapers in German

Newspapers from Germany