Mehr Einsatz für Insekten
Eine große Studie hat gezeigt, dass die Menge der fliegenden Insekten rapide gesunken ist. Mit fatalen Folgen für das Ökosystem. Was Landwirte und Umweltschützer aus dem Wittelsbacher Land dazu sagen und was sie dagegen tun
Eine Studie hat gezeigt, dass die Zahl der Insekten in Deutschland rapide sinkt. Mit fatalen Folgen. Was Landwirte und Umweltschützer dazu sagen.
Aichach Friedberg In den vergangenen 30 Jahren ist der Bestand an fliegenden Insekten in Deutschland um mehr als drei Viertel gesunken. Das hat eine groß angelegte Studie eines internationalen Expertenteams herausgefunden (wir berichteten im Hauptteil). Auch im Landkreis Aichach-Friedberg werden diese Meldungen mit großer Sorge beobachtet. Insekten wie Bienen dienen als Bestäuber von Pflanzen. Sie sind daher sehr wichtig für das gesamte Ökosystem und auch für die Landwirtschaft. Umweltschützer machen jedoch gerade die konventionelle Landwirtschaft für den Insektenschwund verantwortlich.
Dem tritt Reinhard Herb, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), entgegen. Seiner Ansicht nach ist das Insektensterben kein alleiniges Phänomen auf landwirtschaftlich genutzten Feldern. Er sagt: „Auch auf Naturschutzflächen, wo die meisten Messungen stattfinden, hat die Artenvielfalt drastisch abgenommen.“Die Forscher in der besagten Studie haben zwischen 1989 und 2016 das Insektenaufkommen in 63 Naturschutzgebieten untersucht. Herb ist deshalb der Meinung, dass jeder einen kleinen Teil zum Schwund beitrage. So blieben beispielsweise viele Insekten auf den Windschutzscheiben fahrender Autos kleben.
Ernst Haile ist anderer Ansicht. Der Ortsvorsitzende des Bundes Naturschutz (BN) in Pöttmes macht gerade die Pestizide der Landwirte für das Insektensterben verantwortlich: „Durch Pestizide werden nicht nur Schädlinge vernichtet, sondern auch Unkraut.“Das diene Insekten als Nahrung. Haile mahnt: „Stirbt beispielsweise die Gattung der Wildbiene aus, kann sich der Ertrag der Äpfel und Birnen um bis zu 70 Prozent reduzieren.“
Reinhard Herb kann derzeit keine großen Auswirkungen bei der Ernte durch das Insektensterben erkennen, räumt aber ein: „Mittelfristig haben wir Probleme mit der Befruchtung.“Neue Agrartechnik versuche zwar, diesen Trend auszugleichen, weiß Ernst Haile. Das geschieht aber oft mittels Genmanipulation. Er plädiert deshalb dafür, auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten, wie es Biobauern bereits machen. Er sieht aber nicht nur Landwirte in der Pflicht, von Pestiziden abzulassen, sondern auch Privatpersonen. Haile erklärt: „Es gibt mechanische Methoden, um Unkraut zu entfernen.“Hier sei eine bessere Aufklärung nötig – auch, um zu vermit- teln, was man gegen Wespen oder Ameisen im Garten unternehmen kann. Nützten diese Appelle nichts, fordert er den Landkreis auf, Pestizide ganz zu verbieten.
Im Wittelsbacher Land gibt es bereits Projekte, um dem Insektensterben entgegenzutreten. Sachgebietsleiter Wolfgang Grinzinger, im Landratsamt für Naturschutz zuständig: „Durch Neuanlegung, Schutz und Pflege von Biotopen soll neuer Lebensraum für Insekten geschaffen werden.“Eine dieser Flächen rief der Landschaftspflegeverband in der Dasinger Sandgrube ins Leben. Eine andere ist in Pöttmes zu finden. Wichtig sei, diese zahlreichen Biotope miteinander zu verbinden. Denn „ein isoliertes Biotop auf einem Feld macht keinen Sinn“, stellt Grinzinger fest. Allerdings müssten erst die Inhaber bereit sein, Ackerland dafür aufzugeben.
Auch Haile spricht sich für eine Erweiterung solcher Biotope aus. Er beklagt aber, dass die Flächen fehlten: „Die Gewerbegebiete werden überbaut und es sind nicht ausreichend ökologische Ausgleichsflächen in Bebauungsplänen vorgesehen.“Umso wichtiger sei die Entscheidung vieler Kommunen, Wiesen und Straßenränder zu mähen und nicht zu mulchen. Grinzinger erläutert den Sinn dieses Projektes, das der Landesbund für Vogelschutz initiiert hat: Beim Mulchen wird das abgemähte Gras gehäckselt und auf der Wiese oder dem Randstreifen verstreut. So werden dem Boden Nährstoffe zugeführt. Das gemulchte Gras überdeckt Blühpflanzen und nur auf nährstoffarmen (mageren) Böden wachsen zum Beispiel Sauerampfer, Wiesensalbei und Margeriten. Von diesen und anderen Blühpflanzen ernähren sich Insekten. Diese sind wiederum Nahrung für viele Vögel. Haile prognostiziert: „Gibt es weniger Insekten, gibt es auch weniger Vögel.“
und ein Interview zum Insektenschwund finden Sie heute im Hauptteil auf den und 16.