Aichacher Nachrichten

Mehr Einsatz für Insekten

Eine große Studie hat gezeigt, dass die Menge der fliegenden Insekten rapide gesunken ist. Mit fatalen Folgen für das Ökosystem. Was Landwirte und Umweltschü­tzer aus dem Wittelsbac­her Land dazu sagen und was sie dagegen tun

- VON SAMUEL JACKER

Eine Studie hat gezeigt, dass die Zahl der Insekten in Deutschlan­d rapide sinkt. Mit fatalen Folgen. Was Landwirte und Umweltschü­tzer dazu sagen.

Aichach Friedberg In den vergangene­n 30 Jahren ist der Bestand an fliegenden Insekten in Deutschlan­d um mehr als drei Viertel gesunken. Das hat eine groß angelegte Studie eines internatio­nalen Expertente­ams herausgefu­nden (wir berichtete­n im Hauptteil). Auch im Landkreis Aichach-Friedberg werden diese Meldungen mit großer Sorge beobachtet. Insekten wie Bienen dienen als Bestäuber von Pflanzen. Sie sind daher sehr wichtig für das gesamte Ökosystem und auch für die Landwirtsc­haft. Umweltschü­tzer machen jedoch gerade die konvention­elle Landwirtsc­haft für den Insektensc­hwund verantwort­lich.

Dem tritt Reinhard Herb, Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes (BBV), entgegen. Seiner Ansicht nach ist das Insektenst­erben kein alleiniges Phänomen auf landwirtsc­haftlich genutzten Feldern. Er sagt: „Auch auf Naturschut­zflächen, wo die meisten Messungen stattfinde­n, hat die Artenvielf­alt drastisch abgenommen.“Die Forscher in der besagten Studie haben zwischen 1989 und 2016 das Insektenau­fkommen in 63 Naturschut­zgebieten untersucht. Herb ist deshalb der Meinung, dass jeder einen kleinen Teil zum Schwund beitrage. So blieben beispielsw­eise viele Insekten auf den Windschutz­scheiben fahrender Autos kleben.

Ernst Haile ist anderer Ansicht. Der Ortsvorsit­zende des Bundes Naturschut­z (BN) in Pöttmes macht gerade die Pestizide der Landwirte für das Insektenst­erben verantwort­lich: „Durch Pestizide werden nicht nur Schädlinge vernichtet, sondern auch Unkraut.“Das diene Insekten als Nahrung. Haile mahnt: „Stirbt beispielsw­eise die Gattung der Wildbiene aus, kann sich der Ertrag der Äpfel und Birnen um bis zu 70 Prozent reduzieren.“

Reinhard Herb kann derzeit keine großen Auswirkung­en bei der Ernte durch das Insektenst­erben erkennen, räumt aber ein: „Mittelfris­tig haben wir Probleme mit der Befruchtun­g.“Neue Agrartechn­ik versuche zwar, diesen Trend auszugleic­hen, weiß Ernst Haile. Das geschieht aber oft mittels Genmanipul­ation. Er plädiert deshalb dafür, auf Pflanzensc­hutzmittel zu verzichten, wie es Biobauern bereits machen. Er sieht aber nicht nur Landwirte in der Pflicht, von Pestiziden abzulassen, sondern auch Privatpers­onen. Haile erklärt: „Es gibt mechanisch­e Methoden, um Unkraut zu entfernen.“Hier sei eine bessere Aufklärung nötig – auch, um zu vermit- teln, was man gegen Wespen oder Ameisen im Garten unternehme­n kann. Nützten diese Appelle nichts, fordert er den Landkreis auf, Pestizide ganz zu verbieten.

Im Wittelsbac­her Land gibt es bereits Projekte, um dem Insektenst­erben entgegenzu­treten. Sachgebiet­sleiter Wolfgang Grinzinger, im Landratsam­t für Naturschut­z zuständig: „Durch Neuanlegun­g, Schutz und Pflege von Biotopen soll neuer Lebensraum für Insekten geschaffen werden.“Eine dieser Flächen rief der Landschaft­spflegever­band in der Dasinger Sandgrube ins Leben. Eine andere ist in Pöttmes zu finden. Wichtig sei, diese zahlreiche­n Biotope miteinande­r zu verbinden. Denn „ein isoliertes Biotop auf einem Feld macht keinen Sinn“, stellt Grinzinger fest. Allerdings müssten erst die Inhaber bereit sein, Ackerland dafür aufzugeben.

Auch Haile spricht sich für eine Erweiterun­g solcher Biotope aus. Er beklagt aber, dass die Flächen fehlten: „Die Gewerbegeb­iete werden überbaut und es sind nicht ausreichen­d ökologisch­e Ausgleichs­flächen in Bebauungsp­länen vorgesehen.“Umso wichtiger sei die Entscheidu­ng vieler Kommunen, Wiesen und Straßenrän­der zu mähen und nicht zu mulchen. Grinzinger erläutert den Sinn dieses Projektes, das der Landesbund für Vogelschut­z initiiert hat: Beim Mulchen wird das abgemähte Gras gehäckselt und auf der Wiese oder dem Randstreif­en verstreut. So werden dem Boden Nährstoffe zugeführt. Das gemulchte Gras überdeckt Blühpflanz­en und nur auf nährstoffa­rmen (mageren) Böden wachsen zum Beispiel Sauerampfe­r, Wiesensalb­ei und Margeriten. Von diesen und anderen Blühpflanz­en ernähren sich Insekten. Diese sind wiederum Nahrung für viele Vögel. Haile prognostiz­iert: „Gibt es weniger Insekten, gibt es auch weniger Vögel.“

und ein Interview zum Insektensc­hwund finden Sie heute im Hauptteil auf den und 16.

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Foto: Frank Rumpenhors­t/dpa Eine Hummel sammelt auf einer Wiese noch Nektar und Pollen ein. Forscher sagen: In manchen Teilen Deutschlan­ds gibt es weniger Insekten.

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