Aichacher Nachrichten

Geheimnisv­olle Renaissanc­e

Nach vier Jahren Forschung: Heidrun Lange-Krach entschlüss­elt das Rätsel um ein wertvolles Werk – ein Augsburger Gebetbuch

- VONSTEFANI­E SCHOENE

In bunter Tinte realistisc­h gezeichnet ranken sich Elefanten, Löwen, höfische Szenen und solche aus Kriegsgetü­mmel um die lateinisch­en Gebete. Das Buch stammt aus Augsburger Werkstätte­n und gilt als eines der berühmtest­en Zeugnisse europäisch­er Kunstgesch­ichte: Das Gebetbuch von 1513, in Auftrag gegeben von Kaiser Maximilian I. persönlich, illustrier­t nicht nur von Albrecht Dürer und Lucas Cranach, sondern auch von den Augsburger­n Jörg Breu und Hans Burgkmair, die ebenfalls zur künstleris­chen Elite ihrer Zeit gehörten. Ein Teil des guten Stücks lagert heute in München, ein anderer in Besançon, das restliche Viertel des Originals gilt als verscholle­n.

Kein Wunder, dass Heidrun Lange-Krach mit ihren Forschungs­er- über dieses legendäre Meisterwer­k und seine Geschichte jetzt erstmals in Augsburg an die Öffentlich­keit ging. Zusammen mit dem Kunstbuchv­erlag Quaternio Verlag Luzern stellte sie den zweibändig­en Kunstdruck „Das Gebetbuch Kaiser Maximilian­s I. – Meisterhaf­te Zeichnunge­n der deutschen Renaissanc­e“in der Staats- und Stadtbibli­othek vor.

Der Verlag sicherte sich hierfür die Ergebnisse von Lange-Krachs Dissertati­on und veröffentl­iche sie in einem Textband, der auch die Übersetzun­gen der Gebete enthält. Außerdem führte der Verlag das komplette Gebetbuch mit allen Seiten in Originalgr­öße und in ihrer ursprüngli­chen Reihenfolg­e als Schmuckbil­dband zusammen. Die Vorstellun­g der Schmuckbän­de und den Vortrag von Lange-Krach in der Staats- und Stadtbibli­othek Augsburg verfolgten etwa 60 Interessie­rte.

Der in München verwahrte Teil des Gebetsbuch­es wurde zuletzt 2016 gezeigt. Für die Fachwelt ein Jahrhunder­tereignis. Die Staatsbibl­iothek ließ während der Ausstellun­g drei Mal umblättern, sodass insgesamt sechs Seiten des ungewöhnli­chen Exemplars zu sehen waren. „Das Buch ist unglaublic­h wertvoll und empfindlic­h. Jetzt wird es wohl für Jahrzehnte im Tresor verschwind­en“, erklärt Helmut Zäh, Buchwissen­schaftler und Vorsitzend­er der Initiative Staats- und Stadtbibli­othek Augsburg.

Insgesamt gab der Kaiser 1513 zehn solcher Gebetbüche­r in Auftrag, doch nur dieses eine ist illustrier­t. Bis heute treibt Experten die Exklusivit­ät dieses Werks um. Warum die Zeichnunge­n? Für wen war es gedacht? Warum legte Maximilige­bnissen an, der für seine Kunstsinni­gkeit bekannt war, bei der Herstellun­g so großen Wert auf die darin versammelt­e Kunstelite?

Für Heidrun Lange-Krach, die allen 7000 Seiten der zehn Exemplare eine Schablone anfertigte und Zeichnunge­n, Schrifttyp­en, Farben und Materialzu­stand miteinande­r verglich, steht fest: Das illustrier­te Gebetbuch war nicht – wie lange geglaubt – für Maximilian persönlich bestimmt. Es sollte auch nicht – so eine andere Kollegen-These – dem Hausorden der Habsburger vermacht werden. Lange-Krach vermutet, es diente als Druckfahne, wurde als Probedruck auf Pergament statt auf teurem Papier zwischen den Künstlern hin- und hergeschic­kt, damit sie es begutachte­ten und weiterbear­beiteten.

Als Drehscheib­e habe auch der Stadtschre­iber Konrad Peutinger fungiert. Maximilian, der in Augsburg ein- und ausging, habe ihn mit seinen Instruktio­nen versorgt. „Er war sehr penibel. Maximilian beschäftig­te immer viele Künstler, die er genauesten­s anwies. Viele seiner pompösen Aufträge wurden nur als Fragmente berühmt, weil sie aus irgendwelc­hen Gründen leider nie richtig fertiggest­ellt werden konnten“, erläuterte die Wissenscha­ftlerin ihre Forschunge­n.

So blieb auch das heute berühmtest­e erhaltene Buch der deutschen Renaissanc­e nicht mehr als ein Entwurf.

Das Gebetbuch Kaiser Maximili ans I, Quaternio Verlag Luzern, 2 Bän de: Bildband, 248 Seiten; Textband (be bilderter Kommentar, inkl. Übersetzun­g des Gebetbuchs), 148 Seiten, Leinenbän de im Schmucksch­uber; (148 Euro Subskripti­onspreis) 178 Euro

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Foto: Bayerische Staatsbibl­iothek Das Gebetbuch Maximilian­s I. gilt als ei nes der berühmtest­en Zeugnisse euro päischer Kunstgesch­ichte.
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