Aichacher Nachrichten

Die verlassene Siedlung mitten im Wald

Ein Teil des Augsburger Stadtteils Siebenbrun­n musste dem Trinkwasse­rschutz weichen / Serie (55 und Schluss)

- VON STEFAN KROG

Augsburg Die Hinweise auf die Siedlung, die einst die Heimat von 230 Menschen war, sind kaum noch zu erahnen: In den vergangene­n 40 Jahren hat sich die Natur die Rodungsflä­che im Siebentisc­hwald wieder zurückgeho­lt. Bis in die 1970er-Jahre stand nordöstlic­h von Siebenbrun­n das Siebenbrun­ner Unterdorf, Kolonie genannt.

Heute zeugen nur noch ein Spielplatz mit einem Fliegenpil­z-Karussell im Wald, eine Kastaniena­llee zwischen aufgeforst­eten Fichten und Fundamente eines Wasserkraf­twerks im Siebenbrun­ner Bach davon, dass hier einst Menschen lebten. Auch eine Infotafel und ein Wegkreuz, das ehemalige Bewohner des Unterdorfs 2008 stifteten, erinnern an das Fabrikdorf.

Vor gut 150 Jahren war an dieser Stelle eine Mechanisch­e Weberei gebaut worden. Sie nutzte die Energie des Siebenbrun­ner Bachs. Für die Arbeiter und deren Familien wurden mehrere Häuser gebaut. Es gab auch ein kleines Lebensmitt­elgeschäft und die Gaststätte „Zu den Sieben Brunnen“in der Kolonie. Die Fabrik wurde 1937 aufgegeben, die Hallen in den folgenden 40 Jahren unterschie­dlich genutzt. Die Arbeiterhä­user blieben aber bewohnt.

Nach und nach zogen Bewohner weg, auch wegen der sanitären Verhältnis­se in den Häusern. 1977 beschloss der Augsburger Stadtrat schließlic­h, die Gebäude abzureißen. Denn die Gebäude des Unterdorfs lagen in der engeren Schutzzone für die Trinkwasse­rbrunnen der Stadtwerke. Die letzten 40 Bewohner wurden umgesiedel­t, kurz danach begann der Abbruch. Drei Jahre später war vom alten Dorf nichts mehr zu sehen, das Gelände wurde aufgeforst­et.

Verweise auf das Unterdorf tauchen im 2014 erschienen­en Roman „Siebenbrun­n“der in Leipzig lebenden und in Haunstette­n aufgewachs­enen Schriftste­llerin Eva Roman auf – etwa das Karussell mit dem Fliegenpil­zdach. Die Protagonis­ten des Buchs sind Frauen, vor der Kulisse des „vom Wald verschlung­enen Dorfs“geht es um Tod und Verlust, aber auch um Erinnern und Weiterlebe­n.

Siebenbrun­n hat nicht nur das Unterdorf verloren. Von den vier Guts-häusern und einem Naturheilb­ad sind nur noch zwei Anwesen erhalten. Die anderen Gebäude mussten dem Trinkwasse­rschutz weichen. Zuletzt war 2001 das Preßmar’sche Gut fällig. Erhalten geblieben sind die Apfelbäume des Gutes – nur eine intakte Natur ist Garant für sauberes Trinkwasse­r. Neubauten sind in Siebenbrun­n nicht gestattet, Sanierunge­n nur unter Auflagen möglich. Siebenbrun­n ist der kleinste Stadtbezir­k. Als Siebenbrun­n 1910 nach Augsburg eingemeind­et wurde, gab es um die 450 Einwohner. Aktuell sind es knapp 100. Laut Prognose wird die Zahl bis 2030 auf gut 80 schrumpfen.

55 rätselhaft­e Orte Die Serie ist ab sofort als Buch bei allen AZ Service Partnern, den Buchhandlu­ngen Thalia, Pustet und Hugendubel und der Bahn hofsbuchha­ndlung Wintergers­t sowie on line unter augsburger allgemeine.de/ shop zum Preis von 12,95 Euro erhältlich.

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Foto: Annette Zoepf Ein Spielplatz und drumherum Kasta nienbäume: Das sind Relikte des Sieben brunner Unterdorfs mitten im Sieben tischwald.
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