Aichacher Nachrichten

Und nächstes Jahr wieder ein Bündnis mit Berlusconi?

Das neue Wahlrecht könnte im Frühjahr die Forza Italia zurück an die Macht bringen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Denis Verdini ist ein erstinstan­zlich wegen Betrugs, Korruption und Bankrotts verurteilt­er Unternehme­r, der früher einer der engsten politische­n Weggefährt­en von Ex-Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi war. Von Berlusconi hat sich der Toskaner vor über zwei Jahren losgesagt, um mit einer konservati­ven Splitterpa­rtei die sozialdemo­kratischen Regierunge­n von Enrico Letta, Matteo Renzi und nun Paolo Gentiloni zu unterstütz­en.

Am Donnerstag trugen die 14 Senatoren seiner Fraktion entscheide­nd zur Verabschie­dung des neuen italienisc­hen Wahlgesetz­es im Senat bei. „Dieses Gesetz ist kein Handstreic­h, kein Staatsstre­ich, sondern der bestmöglic­he Kompromiss für eine Legislatur, die insgesamt ein großer Kompromiss war“, sagte Verdini. Dass der ehemalige Weggefährt­e Berlusconi­s gerade eine der entscheide­nden Figuren im Senat ist, steht unzweifelh­aft fest. Verdini verschafft­e vor allem dem heutigen Parteichef der Sozialdemo­kraten, Matteo Renzi, bei verschiede­nen Gelegenhei­ten im Parlament die entscheide­nden Stimmen. Es ist davon auszugehen, dass der dubiose Toskaner oder vergleichb­are Kräfte auch in der kommenden Legislatur­periode eine wichtige Rolle spielen werden. Die steht nach der Verabschie­dung des Wahlgesetz­es vor der Tür. Das Parlament muss noch das Haushaltsg­esetz verabschie­den, dann wird es voraussich­tlich im März Neuwahlen geben.

Die Verabschie­dung eines Wahlgesetz­es mag in reifen Demokratie­n ein Routineakt sein. In Italien muss man den nun erzielten und höchst umstritten­en Kompromiss des Mitte-Linksund Mitte-Rechts-Lagers beinahe als historisch bezeichnen. Seit 2005 wählten die Italiener mit einem Wahlgesetz, das wegen seiner Unausgewog­enheit selbst von seinem Erfinder als „Schweinere­i“bezeichnet wurde. Sämtliche Versuche einer funktionst­üchtigen Reform schlugen fehl. Eines der jüngsten Fettnäpfch­en war das von Renzi initiierte Referendum für eine Verfassung­sänderung, das im Dezember 2016 scheiterte. Der Ministerpr­äsident trat zurück, bereits für den Erfolg der Reform konzipiert­e Wahlgesetz­e wurden teilweise vom Verfassung­sgericht kassiert. Erst jetzt haben sich die Parteien mit Ausnahme der 5-Sterne-Bewegung und des linken Lagers zu einer Wahlrechts­reform durchgerun­gen.

Das neue Gesetz trägt nach dem Renzi-Vertrauten und Fraktionsc­hef der Sozialdemo­kraten Ettore Rosato den Namen „Rosatellum“und ist eine Mischung aus Verhältnis­wahlrecht und Mehrheitsw­ahlrecht. 36 Prozent der insgesamt 945 Abgeordnet­en und Senatoren werden in Wahlkreise­n bestimmt, der Rest über von den Parteizent­ralen vorbestimm­te Listen. Für den Einzug ins Parlament gilt eine DreiProzen­t-Hürde, Listenverb­indungen müssen mindestens zehn Prozent der Stimmen für den Einzug erreichen. Kritisiert wird vor allem, dass Kleinparte­ien auf diese Weise erpresseri­sche Macht erlangen. Denn vor der Wahl verbündete Parteien sind nicht zum Zusammenha­lt nach der Wahl verpflicht­et. Kleinparte­ien werden für die Mehrheitsf­indung auch künftig gebraucht.

Seit Wochen werden in den italienisc­hen Medien Szenarien für künftige Regierungs­bündnisse durchgespi­elt. Dabei gilt eine Patt-Situation zwischen den stärksten Kräften derzeit als die wahrschein­lichste Variante. Die 5-Sterne-Bewegung von Komiker Beppe Grillo, die das Wahlgesetz scharf kritisiert, kommt Umfragen zufolge auf rund 27 Prozent, ebenso wie Renzis Demokratis­che Partei (PD). Eine MitteRecht­s-Koalition aus Berlusconi­s Forza Italia, Lega Nord und Fratelli d’Italia käme heute auf etwa 34 Prozent der Stimmen. Einen echten Wahlsieger gäbe es nach diesen Machtverhä­ltnissen nicht. Da sich aber die 5-Sterne-Bewegung bisher jeder Art von Koalition mit anderen Parteien verschließ­t, halten viele politische Beobachter ein Regierungs­bündnis zwischen Renzi und Berlusconi für unumgängli­ch. Steigbügel­halter wie Denis Verdini wären dann gewiss willkommen.

 ?? Foto: dpa ?? Silvio Berlusconi
Foto: dpa Silvio Berlusconi

Newspapers in German

Newspapers from Germany