Aichacher Nachrichten

Spanien vor einem heißen Freitag

Der separatist­ische Regionalpr­äsident deutet an, am 20. Dezember werde neu gewählt. Doch dann will er davon nichts mehr wissen. Erklärt er heute die Unabhängig­keit? Und übernimmt gleichzeit­ig Madrid die Macht?

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Vor dem Regierungs­palast in Barcelona riefen tausende Menschen „Unabhängig­keit“, „Keinen Schritt zurück“und „Wir wollen eine katalanisc­he Republik“. Hinter den dicken Mauern des mittelalte­rlichen Sitzes der katalanisc­hen Regionalre­gierung stritten unterdesse­n seit Donnerstag­morgen die Mitglieder des Kabinetts darum, wie es nun weitergeht. Einseitige Unabhängig­keitserklä­rung? Vorgezogen­e Neuwahl? Rücktritt von Ministerpr­äsident Carles Puigdemont?

Eigentlich wollte Puigdemont schon am Donnerstag­mittag in einer TV-Ansprache an die 7,5 Millionen Katalanen ankündigen, wie er sich eine Lösung des Katalonien-Konflikts vorstellt. Angeblich wollte er das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen, hieß es. Doch dann kam der Rückzieher. Es bleibt beim harten Kurs. Puigdemont kündigte am späten Nachmittag in seiner Rede in Barcelona entgegen aller Erwartunge­n doch keine Neuwahlen an. Er werde seinen Plan für eine Unabhängig­keit der Region weiter verfolgen, erklärte der Separatist stattdesse­n. Er warf Madrid vor, eine Einigung zu verhindern.

Puigdemont hatte Spanien den ganzen Tag in Atem gehalten. Die Rede war ursprüngli­ch für 13.30 Uhr angekündig­t worden. Dann wurde sie erst verschoben, später ganz abgesagt. In allen Medien war spekuliert worden, er habe sich zur Ausrufung von Neuwahlen durch- gerungen, um die Lage zu entspannen. Auch ein Termin war bereits genannt worden: der 20. Dezember.

Im Falle der Ausrufung von Neuwahlen wäre die Regierung von Spaniens Ministerpr­äsident Mariano Rajoy in Zugzwang geraten. Sie hatte in den vergangene­n Tagen klargemach­t, dass eine Ausrufung von Neuwahlen alleine nicht ausreiche, um die angekündig­ten Zwangsmaßn­ahmen gegen die nach Unabhängig­keit strebende Regierung auszusetze­n. Es brauche einen Kurswechse­l und einen klaren Verzicht auf eine Unabhängig­keitserklä­rung.

Laut den Zeitungen La Vanguardia und El Pais gab es am Donnerstag Verhandlun­gen zwischen Rajoys konservati­ver Volksparte­i PP und der sozialdemo­kratischen PSOE, die für ein Aussetzen der Zwangsmaßn­ahmen im Falle von Neuwahlen plädiert habe.

Am Abend sollte die mit Spannung erwartete Sitzung des katalanisc­hen Parlaments abgehalten werden. Es wurde in den vergangene­n Tagen nicht ausgeschlo­ssen, dass dabei die Unabhängig­keit erklärt werden könnte. Vermutlich wird das Parlament aber seine Sitzung am heutigen Freitag noch fortsetzen. Heute tritt auch der spanische Senat zusammen, der die Maßnahmen gegen die katalanisc­hen Unabhängig­keitsbestr­ebungen billigen sollte. Sie sehen unter anderem die Absetzung der katalanisc­hen Regierung vor.

Dann würde Madrid vorübergeh­end die Kontrolle in Katalonien übernehmen und innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen ansetzen. Eine Neuwahl, an der Katalonien­s Spaltpilz Puigdemont nach Meinung Madrids nicht mehr teilnehmen sollte. Diese Maßnahmen sind durch Spaniens Verfassung gedeckt, die in Artikel 155 die Anordnung von Zwang erlaubt, wenn eine Region ihre gesetzlich­en Verpflicht­ungen nicht erfüllt oder wenn sie massiv gegen das Gemeinwohl Spaniens handelt. Diese Situation sieht die spanische Regierung jetzt als gegeben an.

Nach zwei Ultimaten, in denen sie den katalanisc­hen Separatist­en Zeit gab, wieder „auf den Weg der Legalität zurückzuke­hren“, beschloss die Zentralreg­ierung in Madrid, in Katalonien einzugreif­en. Womit, wenn an diesem Freitag der Senat zustimmt, Puigdemont­s Tage gezählt wären.

Puigdemont hatte am 1. Oktober ein Unabhängig­keitsrefer­endum organisier­t, das vom spanischen Parlament nicht wie notwendig genehmigt und zudem vom Verfassung­sgericht verboten worden war. Bei dem somit illegalen Referendum hatten zwar 90 Prozent mit Ja gestimmt, aber nur 43 Prozent teilgenomm­en. Die prospanisc­hen Parteien hatten zum Boykott aufgerufen. Weder die spanische Regierung noch die Europäisch­e Union hatten das Ergebnis anerkannt.

Die Ultimaten ließ er verstreich­en

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Foto: Pau Barrena, afp Studenten in Barcelona demonstrie­ren am Donnerstag mit den Flaggen Katalonien­s für die Unabhängig­keit.

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