Aichacher Nachrichten

Börsenchef muss gehen

Lange hat ihm sein Arbeitgebe­r den Rücken gestärkt. Nun stolpert Carsten Kengeter doch über ein umstritten­es Aktiengesc­häft. Ein Schlussstr­ich unter ein unrühmlich­es Kapitel?

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Frankfurt/Main Carsten Kengeter ist gescheiter­t. Im Frühjahr platzte die aus Sicht des Deutsche-Börse-Chefs „gottgewoll­te“Fusion mit der Londoner Börse LSE an ganz irdischen Bedenken Brüsseler Beamter. Nun wird dem langjährig­en Investment­banker ausgerechn­et ein Aktiengesc­häft zum Verhängnis. Der 50-Jährige räumt seinen Posten zum Jahresende. Zu groß war letztlich der Druck, dass seit inzwischen neun Monaten der Vorwurf in der Welt ist, er habe Insiderwis­sen zum geplanten Zusammensc­hluss mit der LSE für lukrative Aktienkäuf­e in eigener Sache genutzt.

Mit der Personalen­tscheidung könnte endlich wieder Ruhe einkehren in der Konzernzen­trale in Eschborn vor den Toren Frankfurts – wobei zunächst offenblieb, wer Kengeter nachfolgen soll. Zunächst führt der Manager den Dax-Konzern weiter.

Dass der Gestalter Kengeter den Verwalter Francioni zum 1. Juni 2015 ablöste, kam bei Mitarbeite­rn, Investoren und externen Beobachter­n zunächst gleicherma­ßen gut an. Er riss den Frankfurte­r Marktbetre­iber aus der Lethargie. Kaum im Amt, zog er im Sommer 2015 zwei Übernahmen für zusammen mehr als 1,3 Milliarden Euro durch, krempelte den Vorstand um und gab dem Aktienhand­el wieder stärkeres Gewicht. Das Kalkül von Aufsichtsr­atschef Joachim Faber, der den ehemaligen UBS-Manager Kengeter zur Börse gelotst hatte, schien aufzugehen: „Wir sind sicher, dass Herr Kengeter den erfolgreic­hen Weg dieses Unternehme­ns fortset- zen wird und ihn mit neuen, insbesonde­re internatio­nalen Impulsen weiter bereichern wird“, hatte der Chefkontro­lleur bei Kengeters Vorstellun­g vor den Aktionären im Mai 2015 gesagt – gut zwei Wochen vor dessen Amtsantrit­t.

Doch dass ausgerechn­et sein Prestigepr­ojekt – der Zusammensc­hluss mit der LSE – floppte, ließ Kengeters Stern schon sinken. Wirklich eng wurde es für ihn aber erst, als am 1. Februar dieses Jahres Staatsanwä­lte sein Büro und seine Frankfurte­r Privatwohn­ung durchsucht­en. „Ermittlung­en gegen einen Börsenchef wegen Insiderhan­dels sind so, als würde gegen einen Bankchef wegen Bankraubs ermittelt“, kommentier­te Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, später.

Auch wenn Aufsichtsr­at, Vorstandsk­ollegen und Kengeter selbst die Vorwürfe bestreiten und bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsv­ermutung gilt: „Der Reputation­sschaden ist bereits immens“, betonte Fondsmanag­er Ingo Speich von Union Investment. Und das ist keine Einzelmein­ung. Intern wie extern rieben sich Beobachter erstaunt die Augen: Sollte ein gestandene­r Finanzprof­i wie Kengeter die Sprengkraf­t des Aktiendeal­s unterschät­zt haben? Warum schnürte der Aufsichtsr­at das millionens­chwere Sonderverg­ütungspake­t für den Manager, bei dem Kengeter zusätzlich zu 60000 selbst erworbenen Deutsche-Börse-Aktien weitere 69 000 Anteilssch­eine von seinem Arbeitgebe­r bekommt?

Für Unmut in der Belegschaf­t sorgte zuletzt vor allem, wie die Führung mit der Affäre umging. „Was uns am meisten aufregt, ist, dass wir seit Monaten die Getriebene­n sind“, hieß es aus dem Betriebsra­t. Statt sich aufs Geschäft zu konzentrie­ren und nach dem LSE-Flop eine neue Strategie zu entwickeln, lähme die Causa Kengeter.

Mit der Entscheidu­ng vom Donnerstag verschafft sich die Deutsche Börse wieder Handlungss­pielraum. Einen Schlussstr­ich unter das unrühmlich­e Kapitel kann der Konzern aber noch nicht ziehen: In den Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft geht es auch um die Rolle des Unternehme­ns im Zusammenha­ng mit den Insidervor­würfen.

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Foto: Boris Roessler, dpa 2015 galt Carsten Kengeter als neuer Hoffnungst­räger.

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