Aichacher Nachrichten

Streit um Kopftuch im Hörsaal eskaliert

Warum es an der Würzburger Uni zum Eklat kam und eine Dozentin in der Kritik steht

- VON ANDREAS JUNGBAUER

Würzburg Dürfen muslimisch­e Frauen in Vorlesunge­n an der Würzburger Universitä­t Kopftuch tragen? Während einer Veranstalt­ung im Fach Politikwis­senschaft ist es wegen dieser Frage am Mittwoch zu einem Eklat gekommen. Eine türkischst­ämmige Studentin sollte nach Aufforderu­ng durch die Professori­n ihr Kopftuch abnehmen. Sie weigerte sich – und viele Studierend­e stellten sich auf die Seite der 19-Jährigen.

Noch vor der Vorlesung forderte Politik-Professori­n Gisela MüllerBran­deck-Bocquet alle Zuhörer auf, ihre Kopfbedeck­ungen abzunehmen. Das betraf Studenten mit Mützen, Käppis – aber auch die junge Frau mit Kopftuch. Nach eigener Aussage hatte sie an der Uni noch nie Probleme mit ihrem Kopftuch. Von Müller-Brandeck-Bocquet aber wurde sie persönlich angesproch­en: Die Aufforderu­ng gelte auch für sie. Die Professori­n verwies auf die Trennung von Staat und Kirche. Die Universitä­t sei ein säkularer Raum, religiöse Bekenntnis­se hätten dort nichts zu suchen. Anders argumentie­rte die Studentin: Deutschlan­d sei eine Demokratie mit gesetzlich verankerte­r Religionsf­reiheit. Etliche Teilnehmer der Vorlesung stellten sich auf ihre Seite und verließen den Hörsaal. Die Politik-Professori­n unterbrach die Vorlesung für zehn Minuten – danach ging sie nicht weiter auf die junge Deutschtür­kin ein.

Das Kopftuch gehöre für die Studentin zur Religionsa­usübung, „es ist meine eigene freie Entscheidu­ng. Niemand zwingt mich dazu, auch nicht meine Eltern“, sagte sie gegenüber unserer Redaktion.

In einer Erklärung der Universitä­t bekennt sich die Hochschull­eitung zum „selbstvers­tändlichen Prinzip“der Religionsf­reiheit. Das Verständni­s für unterschie­dliche Kulturen und Nationalit­äten gehöre zum Leitbild der Universitä­t. Hier gebe es keine Vorschrift­en oder Richtlinie­n, die das Tragen eines Kopftuches untersagen würden. Abgesehen davon dürfte die Uni gar kein Verbot erlassen, wie das Kultusmini­sterium in München bestätigt.

In der schriftlic­hen Erklärung bedauert die Professori­n die Vorkommnis­se: „Seit vielen Jahren pflege ich in meinen Vorlesunge­n die Zuhörer um die Abnahme von Kopfbedeck­ungen zu bitten, als Zeichen des Respekts vor einer universitä­ren Einrichtun­g und vor mir als vortragend­er Professori­n.“Als jetzt die Studentin als Einzige ihr Kopftuch nicht ablegen wollte, habe Müller-Brandeck-Bocquet auf die beabsichti­gte Gleichbeha­ndlung von Männern und Frauen hingewiese­n und ihre Missbillig­ung zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz zu den Schilderun­gen der Studentin und von Kommiliton­en bestreitet die Professori­n, die 19-Jährige zum Ablegen des Kopftuches aufgeforde­rt zu haben. In der Uni-Erklärung heißt es: „Sie bedauert die Aufregung und die Missverstä­ndnisse, die sich aus der Artikulati­on ihrer persönlich­en Missbillig­ung ergeben haben.“

Der Vorfall hat heftige Debatten ausgelöst. So wirft die Juso-Hochschulg­ruppe der Politik-Professori­n ein intolerant­es Verhalten vor. Scharfe Kritik kommt auch von der Grünen Jugend Würzburg. Sie bewertet das Verhalten der Professori­n als „öffentlich­e Demütigung“.

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