Aichacher Nachrichten

Halloween im Anne Frank Kostüm?

Jüdisches Mädchen starb mit 15 Jahren im KZ. Nun vermarkten Onlinehänd­ler ihr Outfit

- VON KATRIN PRIBYL

London Für gut zehn Pfund konnte man als Anne Frank gehen. Das Kostüm aus blauem Kleid, grüner Baskenmütz­e und brauner Schulterta­sche gab es bei etlichen Onlinehänd­lern weltweit und das Produktbil­d zeigte ein grinsendes Kindermode­l mit Pausbacken und selbstbewu­sster Körperhalt­ung. „Wir können stets aus den Kämpfen der Geschichte lernen“, hieß es in der Beschreibu­ng. Das Verkaufsar­gument auf der Webseite? „Jetzt kann Ihr Kind in die Rolle einer Heldin des Zweiten Weltkriegs schlüpfen.“Doch die erhofften Kunden reagierten empört und warfen den Verkäufern vor, das Schicksal der im Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen umge- kommenen Anne Frank zu verharmlos­en. Sie starb mit nur 15 Jahren.

Eine gegen Rechtsextr­emismus kämpfende Organisati­on twitterte: Anne Frank? Ihr macht wohl Witze. Wie um alles in der Welt kann das Spaß sein? Andere bezeichnet­en das Kostüm als geschmackl­os oder ekelhaft und monierten, das durch seine Tagebücher berühmt gewordene Mädchen auf solch eine Art und Weise zu vermarkten sei widersinni­g. Carlos Galindo-Elvira von der Anti-Defamation League in Arizona schrieb, es gebe bessere Wege, an das HolocaustO­pfer zu erinnern. „Wir sollten ihr Andenken nicht als Kinderkost­üm verharmlos­en.“Die in Frankfurt am Main geborene Jüdin Frank verfasste die Tagebücher, während sie sich mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in den Niederland­en vor den Nationalso­zialisten versteckte.

Das Kostüm, das laut Medienberi­chten von dem britischen Hersteller Smiffy’s produziert wird, stand auf firmeneige­nen Webseiten wie halloweenc­ostumes.eu oder auch fun.com zum Verkauf, wurde nach dem Entrüstung­ssturm jedoch aus dem Angebot genommen. Ein Sprecher entschuldi­gte sich, falls sich jemand durch das Outfit angegriffe­n fühle. Er teilte mit, das Kostüm sei nicht nur für Halloween gedacht gewesen, sondern auch für Bildungszw­ecke wie Schulproje­kte und Theaterstü­cke.

Die Kolumnisti­n Ellen Scott schrieb in der britischen Zeitung Metro: „Wir sind uns nicht sicher, warum irgendjema­nd dachte, dass es eine gute Idee sein würde, ein Halloween-Kostüm zu kreieren, das Kinder aussehen lässt wie Anne Frank.“Es sei keine respektvol­le, feinfühlig­e Art, über diese historisch­e Zeit zu lernen. Dabei empfand es nicht jeder als geschmackl­os. Eine Nutzerin auf Twitter wunderte sich: Wieso sei es aber in Ordnung, sich als nativer amerikanis­cher Indianer zu verkleiden und den religiösen Kopfschmuc­k eines heiligen Mannes zu tragen? Verwirrend­e Maßstäbe. Bei einigen Händlern, darunter Amazon, ist das Outfit noch immer erhältlich unter „Evakuierte­n-Mädchen-Kostüm aus dem Zweiten Weltkrieg“. Es eigne sich perfekt für Karneval, Themenpart­ys und Halloween, heißt es. Die jetzige Kontrovers­e ist keineswegs die erste dieser Art. Immer wieder sorgen Outfits für Empörung oder überschrei­ten die Grenzen des guten Geschmacks. So löste 2014 ein makabrer Trend in den USA sowie in Großbritan­nien eine Debatte aus, als Menschen in einem Ebola-Schutzanzu­g Halloween feierten und damit die vielen Opfer der Krankheit in Afrika offenbar vergaßen. Leuchtende Kürbisköpf­e vor den HäuAnne sern, als Hexen verkleidet­e Erwachsene, die zu Gruselpart­ys pilgern, und Geisterumz­üge in jeder Gegend: In Großbritan­nien feiern die Menschen seit Jahren Halloween in US-Manier, obwohl der aus alten keltischen Wurzeln stammende Brauch von irischen Einwandere­rn nach Amerika gebracht wurde und die Ursprünge auf den Britischen Inseln liegen.

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Foto: Screenshot, Katrin Pribyl
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Foto: dpa Dieses undatierte Bild zeigt die echte Anne Frank.

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