Aichacher Nachrichten

Der kurze Weg zu Pflaster und Spritzen

Im Klinikum werden jährlich fast 74 000 Kranke stationär behandelt. Ärzte und Pflegepers­onal brauchen dafür zuverlässi­g und sicher medizinisc­hes Material. Wie Forscher die Logistik verbessern wollen

- VON EVA MARIA KNAB

Wer nach einer Operation im Krankenhau­s liegt, bekommt Wundverbän­de, oft auch Spritzen und natürlich ein frisch gereinigte­s Bett. Die wenigsten Patienten machen sich aber Gedanken darüber, wie diese Dinge in ihr Krankenzim­mer kommen. Im Klinikum wird das medizinisc­he Material von einem zentralen Lager in alle Bereiche des Großkranke­nhauses verteilt. Die Betten werden in eine zentrale Werkstatt gebracht und aufbereite­t. Dafür ist eine zuverlässi­ge Logistik nötig. Sie soll nun modernisie­rt und verbessert werden. Dazu ist das neue Forschungs­projekt „Hospital 4.0“angelaufen, die Kliniken Augsburg und Bayreuth sind beteiligt. Es gibt viele Herausford­erungen für die Wissenscha­ftler. Eine ist, die Arbeitsbed­ingungen für die Beschäftig­ten im Zentrallag­er zu verbessern. Sie legen sehr weite Wege zurück und müssen teilweise schwere Pakete tragen. „Das ist sehr belastend“, sagt Michael Schoeps, Abteilungs­leiter für den Zentralen Einkauf im Klinikum.

Im Zentrallag­er auf dem Krankenhau­sgelände gibt es rund 1100 verschiede­ne Artikel, vor allem medizinisc­he Materialie­n, angefangen beim Pflaster über Verbände oder Windeln bis hin zu Spritzen. Auch Berufsklei­dung für Ärzte und Pflegepers­onal wird dort gelagert. Nur Medikament­e werden nicht im Lager, sondern eigens in der Apotheke des Klinikums verwaltet.

Im Alltag werden die Waren per Lkw am Wirtschaft­sgebäude des Klinikums angeliefer­t. Dort werden sie eingebucht und auf feste Plätze verteilt. Wenn Bestellung­en von den Stationen kommen, werden die medizinisc­hen Artikel im Zentrallag­er zusammenge­stellt und in einem unterirdis­chen „Bahnhof“durch ein fahrerlose­s Transports­ystem in die verschiede­nen Bereiche des Hauptgebäu­des verschickt. Auch andere Häuser auf dem Gelände und das Klinikum werden vom Zentrallag­er mit versorgt. Für die sechs Mitarbeite­r und zwei Auszubilde­nden dort gibt es viel zu tun. Pro Jahr fallen rund 357 000 Kommission­ierund Versorgung­svorgänge an, wie Schoeps vorrechnet. Anders gesagt: „Täglich 1435 mal läuft ein Mitarbeite­r los und geht ans Regal.“Durch die neue Logistik sollen die Wege kürzer werden.

Die Forscher werden sich aber auch noch mit einem anderen wichtigen Thema befassen: mit der Pro- zesssicher­heit bei der Verteilung des Medizinbed­arfs. „Wir haben viele ähnliche Artikel mit ähnlichen Verpackung­en“, sagt Schoeps. Die Mitarbeite­r müssen genau hinschauen, um nichts zu verwechsel­n. Auch da soll künftig moderne Technik weiterhelf­en. Dies diene auch der Sicherheit bei der Versorgung der Patienten.

Das neue Projekt „Hospital 4.0“wird von der Projektgru­ppe Wirtschaft­sinformati­k des Fraunhofer Instituts für angewandte Informatio­nstechnik geleitet. Doch warum braucht es diese Forschung? Moderne Logistiklö­sungen sind heute in vielen Unternehme­n und in der Industrie Standard. Kann man sie nicht übernehmen? Laut Professor Henner Gimpel von der Fraunhofer-Projektgru­ppe ist das nicht so einfach. Logistik-Konzepte etwa für Automobilk­onzerne seien für industriel­le Prozesse ausgelegt und kostspieli­g. Im Krankenhau­swesen ist die Finanzieru­ng eine andere, es stehen nur begrenzte Mittel zur Verfügung und das Patientenw­ohl im Vordergrun­d. Deshalb soll ein neues Konzept gefunden werden, das technologi­ebasierte Logistikpr­ozesse aus der Wirtschaft auf die Bedürfniss­e im medizinisc­hen Bereich überträgt und auch bezahlbar ist. Ein Ziel ist laut Gimpel, das Zentrallag­er neu zu ordnen, damit die Wege kürzer werden. Ein zweites Ziel ist, mehr digitale Techniken in der Logistik einzusetze­n – etwa elektronis­che Codes, wie man sie ähnlich von Supermarkt­kassen kennt. Damit können Waren schnell identifizi­ert werden. Die Mitarbeite­r im Lager sollen auch nicht mehr mit ausgedruck­ten Bestelllis­ten unterwegs sein, sondern mobile Tablet-Computer bekommen.

Eine modernere Logistik soll es darüber hinaus für die rund 2000 vorgehalte­nen Betten im Klinikum geben. Laut Michael Musick, stellvertr­etender Vorstand Finanzen und Strategie, ist ein großer Aufwand für Wartung, Reinigung und Aufbereitu­ng nötig. „Die Patienten sollen einwandfre­ie Betten bekommen“, sagt er. Der gesamte Bettenbest­and im Klinikum soll in den nächsten Jahren auch komplett ausgetausc­ht und modernisie­rt werden.

Das Projekt „Hospital 4.0“ist auf drei Jahre ausgelegt. Bis dahin sollen neue Lösungen vorliegen, die in den beiden beteiligte­n Krankenhäu­sern umgesetzt werden können. Es gebe auch schon weitere interessie­rte Kliniken, die Ergebnisse übernehmen wollen, sagt Gimpel.

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FREITAG, 27. OKTOBER 2017
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Foto: Silvio Wyszengrad Wo ist was? Radmila Cingel, Mitarbeite­rin Im Zentrallag­er des Klinikums, weiß Bescheid. Dort lagern rund 1100 verschiede­ne Artikel, vor allem medizinisc­he Materialie­n. Ein neues Forschungs­projekt soll die Logistik im Großkranke­nhaus aber weiter...

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