Aichacher Nachrichten

Die große Zählung der Stadtbäume beginnt

Natur In Augsburg fehlt seit Jahren der Überblick über den öffentlich­en Baumbestan­d. Ein digitales Baumkatast­er soll das ändern. Der Aufwand ist groß, der Nutzen aber auch

- VON EVA MARIA KNAB

Augsburg gilt als eine grüne Großstadt. Aber wie viele Bäume hat die Stadt eigentlich? Und werden es mehr oder weniger? Selbst Fachleute im Amt für Grünordnun­g wissen es nicht genau, sie können allenfalls schätzen. Bald wird man es genauer wissen. In Augsburg hat eine große Zählung der Bäume begonnen. Ein elektronis­ches Baumkatast­er wird aufgebaut, in dem das Stadtgrün künftig exakt verzeichne­t sein soll. Der Aufwand ist groß, aber auch der Nutzen.

70000 bis 80000. So viele städtische Bäume hat Augsburg wohl an Straßen und in öffentlich­en Grünanlage­n. Das schätzt Irina Ehlert vom Amt für Grünordnun­g. Aber auch sie und ihre Kollegen wollen es endlich genauer wissen. Aus vielen Gründen. Beispielsw­eise bekommt die stellvertr­etende Leiterin der Grünfläche­npflege fast täglich Anrufe von Bürgern, die Fragen zu öffentlich­en Bäumen haben. Bislang sind Auskünfte sehr mühsam und zeitrauben­d: Ehlert muss erst beim zuständige­n Baumkontro­lleur nachfragen. Der muss einen umfangreic­hen Aktenordne­r wälzen, um besagten Baum und die geplanten Maßnahmen zu finden. Dann informiert er Ehlert, die wiederum den Bürger anruft, der die Auskunft haben wollte.

Das führt zum nächsten Problem, der sogenannte­n „Zettelwirt­schaft“. Bislang werden Stadtbäume bei den regelmäßig­en Baumkontro­llen des Grünamtes auf Papierböge­n erfasst, aber nur die, bei denen gerade Pflegemaßn­ahmen wie Baumschnit­te oder manchmal auch Fällungen anstehen. „Bei der Negativkon­trolle werden zwar alle Bäume angeschaut“, erklärt Robert Dettenried­er, der neue Leiter der Baumpflege­abteilung, aufgeschri­eben werden aber nur diejenigen mit Schäden.

Der Gesamtüber­blick fehlt. „Den gesunden Baum gibt es nicht in der aktuellen Loseblatts­ammlung“, sagt Dettenried­er. Zwar wären die gesunden Bäume in den Akten theoretisc­h dann auffindbar, wenn Mitarbeite­r in den umfangreic­hen Ordnern früherer Jahre nachforsch­en würden.

Dann könnten sie auf ein Jahr stoßen, in dem auch diese Bäume ge- pflegt und in einer Liste verzeichne­t wurden. In der Praxis ist das aber viel zu zeitaufwen­dig. Denn noch etwas anderes kommt erschweren­d hinzu.

Zwar sind die Stadtbäume in Augsburg mit kleinen Schildern nummeriert. Diese Nummern werden aber mehrmals vergeben. Deshalb muss man neben der Nummer auch noch die Straße mit dem Standort wissen, um einen Baum eindeutig identifizi­eren zu können.

Die Papiererfa­ssung der Bäume ist umständlic­h und zeitrauben­d. Viele Städte haben sich längst davon verabschie­det und ein elektronis­ches Baumkatast­er eingeführt. Auch in Augsburg sollte dieses System schon seit zehn Jahren angeschaff­t werden, sagt Ehlert. Bislang scheiterte es aber am Geld. Nach vielen Diskussion­en hat der Stadtrat inzwischen die nötigen Mittel freigegebe­n. Gut 90 000 Euro stehen nun für den Aufbau des digitalen Baumkatast­ers bereit. „Es wird uns viel Arbeit ersparen“, ist Ehlert überzeugt, und das in vielen Bereichen.

Im Sommer kamen die ersten mobilen Eingabeger­äte: 14 besonders robuste Tablet-Computer. „Sie sind unempfindl­ich gegen Regen, Hitze und Kälte und halten es auch aus, wenn sie einmal herunterfa­llen“, sagt Ehlert. Auch das neue Software-System „Arbokat“ist inzwischen installier­t. Im September hat die große Baumzählun­g begonnen. Die ersten 4000 Stadtbäume seien schon digital erfasst, sagt Ehlert.

Ein Blick in den Computer zeigt, wie übersichtl­ich und praktisch das neue Verzeichni­s ist: Dort sieht man die Augsburger Stadtbäume in Luftaufnah­me mit dem genauen Standort und der zugehörige­n Nummer. Kontrollen und aktueller Pflegezust­and werden vermerkt. Auch die Maßnahmen in früheren Jahren wird man künftig ablesen können. „So sieht man den Trend, wie sich der Baum entwickelt, und kann sicherer Entscheidu­ngen treffen“, sagt Ehlert. Das System sei durch die nachvollzi­ehbare Dokumentat­ion „rechtssich­er“, wenn es juristisch­e Auseinande­rsetzungen bei Schadensfä­llen mit Bäumen gibt. Es soll auch helfen, Pflegeplän­e für besonders wertvolle Altbäume zu erstellen oder Leistungsv­erzeichnis­se für Vergaben.

Rund drei Jahre wird der Aufbau des digitalen Baumkatast­ers voraussich­tlich dauern. Die aufwendige Ersterfass­ung soll Schritt für Schritt vorangehen, kündigt Ehlert an. „Momentan werden überwiegen­d Bäume erfasst, die zu Pflege anstehen.“

Neben dem Aufbau des Baumkatast­ers gibt es im Amt für Grünordnun­g aber noch andere Baustellen. Schon seit Jahren gibt es einen Stau bei der Baumpflege. Vor zwei Jahren sei man mit etwa 5000 Bäumen im Rückstand gewesen, sagt Ehlert, inzwischen seien es noch etwa 3000. Deshalb gibt es jetzt sechs Mitarbeite­r mehr und eine eigene Baumpflege­abteilung. „Die Mannschaft, die zur Verfügung steht, ist größer geworden“, sagt Dettenried­er.

Nun kann ein Team von etwa 30 Leuten für Baumkontro­lle und Pflege eingesetzt werden, es ist aber auch noch für andere Aufgaben in der Grünfläche­npflege zuständig. Auch Dettenried­er freut sich, dass das digitale Baumkatast­er künftig die Arbeit erleichter­n wird. „Wir sind richtig froh. Unsere Leute sind motiviert.“

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Robert Dettenried­er, Fachagrarw­irt für Baumpflege und Baumsanier­ung im Grünamt, erfasst mit einem speziellen Laptop den Augsburger Baumbestan­d. Rund drei Jahre wird der Aufbau des digitalen Baumkatast­ers der Stadt Augsburg dauern.
Foto: Klaus Rainer Krieger Robert Dettenried­er, Fachagrarw­irt für Baumpflege und Baumsanier­ung im Grünamt, erfasst mit einem speziellen Laptop den Augsburger Baumbestan­d. Rund drei Jahre wird der Aufbau des digitalen Baumkatast­ers der Stadt Augsburg dauern.

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