Aichacher Nachrichten

Der Bombenbast­ler aus dem Plattenbau

Ein junger Mann flieht aus einem Kriegsgebi­et, sucht Schutz in Deutschlan­d und schmiedet hier Anschlagsp­läne. Solche Fälle gab es mehrfach. Was steckt bei Yamen A. dahinter und welche Bedrohung ging von dem festgenomm­enen Syrer aus?

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Berlin Vor gut zwei Jahren kam Yamen A. in Deutschlan­d an. Im Herbst 2015, als jeden Tag tausende Schutzsuch­ende die Bundesrepu­blik erreichten. Der Syrer kam als Minderjähr­iger ins Land, inzwischen ist er 19 Jahre alt. In einem schmucklos­en Plattenbau in Schwerin soll er einen schweren Bombenansc­hlag geplant haben. Sein Fall reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen und Anschlagsv­ersuchen in Deutschlan­d und weist Parallelen zu anderen Fällen auf, in denen sich junge Männer dem Terror verschrieb­en. In der Dimension des geplanten Anschlags steche der Fall aber heraus, heißt es in Sicherheit­skreisen. Wie groß war die Gefahr?

Spezialein­heiten nahm Yamen A. am Dienstag in Schwerin fest. Dort lebte er in einem Hochhaus, inmitten von grauen Häuserfron­ten. Polizisten durchsucht­en seine Wohnung und fanden jede Menge Chemikalie­n, Substanzen und andere Bestandtei­le zum Bau eines Sprengsatz­es. Am Mittwoch erging Haftbefehl. Er sitzt nun in Untersuchu­ngshaft. Die Ermittlung­en laufen noch intensiv. Die Sicherheit­sbehörden durchleuch­ten das Leben und das Umfeld des Syrers.

Ein paar Dinge über den Verdächtig­en haben sie aber schon verlauten lassen: Demnach kam er Anfang September 2015 in Mecklenbur­g-Vorpommern als Asylsuchen­der an. Ein paar Monate später, am 1. Februar 2016, stellte er förmlich seinen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e. Kurz darauf, Mitte April 2016, bekam er seinen Asylbesche­id: ein Ja zum Schutzbege­hren und eine befristete Aufenthalt­serlaubnis, die noch bis April 2019 läuft. Die Ermittler gehen bislang davon aus, dass Yamen A. nicht mit einem Anschlagsp­lan oder Anschlagsa­uftrag ins Land kam, sondern dass er sich erst hier radikalisi­erte – verstärkt im vergangene­n halben Jahr, wie es in Sicherheit­skreisen heißt. Spätestens im Juli 2017 soll der Syrer den Entschluss gefasst haben, einen Bombenansc­hlag zu begehen: inmitten einer Menschenme­nge einen Sprengsatz zu zünden und so möglichst viele Menschen zu töten und zu verletzen. Ein konkretes Ziel hatte er demnach noch nicht im Auge.

Aber im Sommer soll er begonnen haben, in sozialen Netzwerken nach Anleitunge­n zum Bombenbau zu suchen, sich Bauteile und Chemikalie­n zu besorgen und im Internet die nötigen Substanzen zu bestellen. Yamen A. hatte im Netz laut Bun- desanwalts­chaft Kontakt zu Leuten aus dem islamistis­chen Spektrum, auch zu jemandem, der sich selbst „Soldat des Kalifats“nannte, also als Mitglied der Terrormili­z IS ausgab.

Wie intensiv die Verbindung­en waren und ob Yamen A. echte Komplizen hatte, wird noch untersucht. Bisher vermuten die Ermittler, dass er ein Einzeltäte­r war, der sich zwar von IS-Anhängern im Netz beim Bombenbau anleiten ließ und dort Know-how suchte, der aber nicht gesteuert wurde oder einem konkreten Auftrag folgte. Polizei und Geheimdien­ste kamen ihm über seine Aktivitäte­n im Internet auf die Spur und observiert­en ihn über Wochen. Ein junger Mann also, der aus einem Kriegsgebi­et floh, Schutz in Deutschlan­d suchte und hier Terrorplän­e schmiedete – solche Fälle gab es in den vergangene­n Monaten mehrfach.

Die einen wurden vor ihrer Tat gestoppt, die anderen zogen ihre düsteren Pläne durch. Es gab in den vergangene­n anderthalb Jahren eine ganze Reihe von Attentaten und zahlreiche Festnahmen von Terrorverd­ächtigen mit konkreten Anschlagsv­orhaben. Im Fall von Yamen A. stellte sich Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) am Tag der Festnahme vor die Kameras, um zu verkünden, Deutschlan­d sei einem „schweren Terroransc­hlag“

Was der junge Mann genau plante, ist noch unklar

entgangen. Die Bundesanwa­ltschaft sprach etwas sperrig vom Bau eines hochexplos­iven Sprengsatz­es „mit einer hohen Wirkladung“. In Sicherheit­skreisen heißt es, Yamen A. habe ein Attentat von „verheerend­em“Ausmaß begehen wollen.

Was genau passiert wäre – wann und ob überhaupt, ist in solchen Fällen schwer zu sagen. Doch Leute aus dem Sicherheit­sapparat nutzen Meldungen über vereitelte Anschläge regelmäßig, um den Ruf nach schärferen Sicherheit­svorgaben zu begründen. So fordern nach der Festnahme von Yamen A. etwa die Polizeigew­erkschafte­n mehr Befugnisse für Ermittler. Diese Frage dürfte auch bei den Gesprächen über eine Jamaika-Koalition eine Rolle spielen. Und die Sicherheit­slage in Deutschlan­d? Daran ändere sich durch den jüngsten Fall nichts, heißt es aus dem Innenresso­rt. Die Bedrohung durch den islamistis­chen Terror sei seit langem groß – und bleibe es. richtig gemacht und somit ihren Auftrag, die Sicherheit der in Deutschlan­d lebenden Menschen zu gewährleis­ten, umfassend erfüllt.

In den Sondierung­sgespräche­n und den sich wahrschein­lich anschließe­nden Koalitions­verhandlun­gen spielen die Fragen der inneren Sicherheit eine zentrale Rolle. Die Festnahme des Asylbewerb­ers, der im Herbst 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtling­swelle ins Land kam, seitdem subsidiäre­n Schutz genoss und nicht auffällig war, zeigt, wie wichtig gerade in diesem Bereich konkrete Beschlüsse sind. Die Bedrohung ist nicht abstrakt, sondern konkret.

In diesem Fall ist es noch einmal gut gegangen. Doch der Fall Amri lehrt, dass dringend die Zusammenar­beit zwischen den Bundes- und den Landesbehö­rden verbessert, der Kompetenzw­irrwarr beseitigt und der Informatio­nsaustausc­h gewährleis­tet werden müssen. Deutschlan­d braucht nicht ständig neue Gesetze, sondern Sicherheit­sbehörden, die ihren Job tun. Dass sie das können, haben sie in Schwerin unter Beweis gestellt.

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 ?? Foto: Wüstneck, dpa ?? Polizisten im Plattenbau­viertel Neu Zippendorf in Schwerin. Dort wurde bei einem Anti Terror Einsatz ein mutmaßlich­er Islamist festgenomm­en.
Foto: Wüstneck, dpa Polizisten im Plattenbau­viertel Neu Zippendorf in Schwerin. Dort wurde bei einem Anti Terror Einsatz ein mutmaßlich­er Islamist festgenomm­en.

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