Für die Einheit von Körper, Geist und Seele
Der Friedberger Arzt Johannes Mayer widmet sich seit 30 Jahren der Osteopathie. Jetzt hat er in Mannheim eine eigene Hochschule gegründet. Was er sich davon verspricht
Friedberg Als Dr. Johannes Mayer vor 30 Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, da waren viele Kollegen skeptisch: Eine Allgemeinarztpraxis mit Schwerpunkt Osteopathie in einer ländlich geprägten Kleinstadt – würde das lange gut gehen? Es ging gut. Fünf Mediziner sind heute dort tätig, der Patientenkreis ist weit über Friedberg hinaus gewachsen und Mayer, der international ein gefragter Fachmann ist, kann nun einen besonderen Erfolg vermelden: die Gründung einer eigenen Hochschule für Osteopathie und Physiotherapie in Mannheim.
Osteopathie ist eine Heilkunde, bei welcher der Therapeut den Patienten mit seinen Händen untersucht und behandelt. Grundlage ist die Annahme, dass der Körper selbst in der Lage ist, sich zu regulieren, wenn alle Strukturen gut beweglich und somit auch gut versorgt sind. Ziel ist es, etwaige Bewegungseinschränkungen aufzuspüren und dann zu behandeln. Dabei betrachtet der Osteopath den Patienten als Einheit von Körper, Geist und Seele, geprägt durch sein individuelles Umfeld.
Mayer, der Präsident der Deut- sche Gesellschaft für Osteopathische Medizin (DGOM) ist und auch zwei Jahre lang an der Spitze des weltweiten Berufsverbands stand, spricht von einem Paradigmenwechsel: Nicht die Krankheit soll bei der Behandlung im Mittelpunkt stehen, sondern die Gesundheit: Was macht und hält den Menschen gesund? „Es gibt Behandlungsmethoden, die die Gesundheit aktiv fördern und stärken können“, sagt Mayer.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Osteopathie als komplementäre Medizin, also als ergänzende Behandlung zur Schulmedizin anerkannt. Trotzdem werde die Osteopathie von vielen Kollegen nach wie vor mit Misstrauen betrachtet, weiß Mayer. Denn während etwa in den USA eine universitäre Ausbildung, vergleichbar dem Medizinstudium notwendig ist, ist „Osteopath“hier keine geschützte Berufsbezeichnung. „Es gibt riesige Qualitätsunterschiede“, bedauert Mayer.
Bei seinem Bemühen um Aufwertung und Anerkennung der Behandlungsmethode kam dem 62-Jährigen zugute, dass die Politik eine Akademisierung der Gesundheitsberufe in Deutschland erreichen will. Bis 2025 soll die Quote auf 20 Prozent steigen, für leitende Funktionen soll ein Studium Voraussetzung werden. auch für die Osteopathie gelte: „Sie kann sich nicht etablieren, wenn sie nicht akademisch wird. Denn nur so kann die Qualität gesichert werden.“
Zwar gibt es in Deutschland mittlerweile private Hochschulen, in denen man die akademische Ausbildung zum Osteopathen hätte implementieren können. „Aber damit hätten wir uns einem Geschäftsmodell unterordnen müssen“, berichtet Mayer über die Gedankenspiele der vergangenen Jahre. So entstand die „kühne Idee“, eine eigene Hochschule zu gründen, die von der DGOM und der Arbeitsgemeinschaft Gesundheitsfachberufe (AGF) getragen und als gemeinnützige GmbH organisiert wird. Vorteil: „Alle Gelder müssen wieder in Lehre und Forschung investiert werden.“
Doch der Weg bis zur Gründung war weit. Der Deutsche Wissenschaftsrat, der bei der Gründung neuer Hochschulen ein wesentliches Wort mitredet, schickte die Initiatoren mit dem ersten Entwurf nochmal nach Hause. Mit der überarbeiteten Fassung sollten sie in einem Jahr wiederkommen. Und selbst als das Konzept Zustimmung fand, musste der Name geändert werden. Der Begriff „Medizin“sei den Universitäten vornbehalten. So heißt die neue Einrichtung: Hochschule für Gesundheitsorientierte Wissenschaft Rhein-Neckar, kurz HGWR.
Anfang Oktober wurde sie in Mannheim eröffnet. Johannes Mayer, der den Fachbereich Osteopathie leitet, erhielt seine Berufungsurkunde als Professor und wird Dekan der Fakultät. Angeboten sind berufsbegleitende Bachelor-Studiengänge für Ärzte und Physiotherapeuten sowie ein duales, ausbildungsbegleitendes PhysiotherapieStudium für Abiturienten.
Für die Hochschule wurden in eiUnd nem modernen Gewerbebau 1500 Quadratmeter Fläche mit Lehrsälen, Labors, Bibliothek und zahlreichen Büros angemietet. Professoren und Studierende können außerdem die Hochschulambulanz am Diakonischen Krankenhaus nützen und haben auch Partner-Hochschulen in den USA, in England und Russland.
„Es gibt keine Abhängigkeiten. Wir haben alle akademischen Freiheiten“, versichert Johannes Mayer. Erfolgreich sind die Verantwortlichen auch schon im Einwerben von Drittmitteln, die neben dem Startkapital durch die Träger, den Studiengebühren und einer staatlichen Förderung für die Ausbildung der Physiotherapeuten eine wichtige Säule der Finanzierung bilden.
„Vom Landarzt hinaus in die Welt“, scherzt Mayer mit Blick auf seine Karriere, die mit der Gründung seiner eigenen Hochschule nun wieder in ruhigeren Bahnen verlaufen soll. Denn statt an 60 Tagen im Jahr für Vorlesungen rund um den Globus zu jetten, kann er sich nun ganz gemütlich in Augsburg in den Zug setzen, um wenig später in Mannheim zu unterrichten. Für die Patienten in Friedberg ist er wie bisher an zwei Tagen pro Woche in seiner osteopathischen Privatpraxis tätig.