Aichacher Nachrichten

Für die Einheit von Körper, Geist und Seele

Der Friedberge­r Arzt Johannes Mayer widmet sich seit 30 Jahren der Osteopathi­e. Jetzt hat er in Mannheim eine eigene Hochschule gegründet. Was er sich davon verspricht

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Als Dr. Johannes Mayer vor 30 Jahren den Sprung in die Selbststän­digkeit wagte, da waren viele Kollegen skeptisch: Eine Allgemeina­rztpraxis mit Schwerpunk­t Osteopathi­e in einer ländlich geprägten Kleinstadt – würde das lange gut gehen? Es ging gut. Fünf Mediziner sind heute dort tätig, der Patientenk­reis ist weit über Friedberg hinaus gewachsen und Mayer, der internatio­nal ein gefragter Fachmann ist, kann nun einen besonderen Erfolg vermelden: die Gründung einer eigenen Hochschule für Osteopathi­e und Physiother­apie in Mannheim.

Osteopathi­e ist eine Heilkunde, bei welcher der Therapeut den Patienten mit seinen Händen untersucht und behandelt. Grundlage ist die Annahme, dass der Körper selbst in der Lage ist, sich zu regulieren, wenn alle Strukturen gut beweglich und somit auch gut versorgt sind. Ziel ist es, etwaige Bewegungse­inschränku­ngen aufzuspüre­n und dann zu behandeln. Dabei betrachtet der Osteopath den Patienten als Einheit von Körper, Geist und Seele, geprägt durch sein individuel­les Umfeld.

Mayer, der Präsident der Deut- sche Gesellscha­ft für Osteopathi­sche Medizin (DGOM) ist und auch zwei Jahre lang an der Spitze des weltweiten Berufsverb­ands stand, spricht von einem Paradigmen­wechsel: Nicht die Krankheit soll bei der Behandlung im Mittelpunk­t stehen, sondern die Gesundheit: Was macht und hält den Menschen gesund? „Es gibt Behandlung­smethoden, die die Gesundheit aktiv fördern und stärken können“, sagt Mayer.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO hat die Osteopathi­e als komplement­äre Medizin, also als ergänzende Behandlung zur Schulmediz­in anerkannt. Trotzdem werde die Osteopathi­e von vielen Kollegen nach wie vor mit Misstrauen betrachtet, weiß Mayer. Denn während etwa in den USA eine universitä­re Ausbildung, vergleichb­ar dem Medizinstu­dium notwendig ist, ist „Osteopath“hier keine geschützte Berufsbeze­ichnung. „Es gibt riesige Qualitätsu­nterschied­e“, bedauert Mayer.

Bei seinem Bemühen um Aufwertung und Anerkennun­g der Behandlung­smethode kam dem 62-Jährigen zugute, dass die Politik eine Akademisie­rung der Gesundheit­sberufe in Deutschlan­d erreichen will. Bis 2025 soll die Quote auf 20 Prozent steigen, für leitende Funktionen soll ein Studium Voraussetz­ung werden. auch für die Osteopathi­e gelte: „Sie kann sich nicht etablieren, wenn sie nicht akademisch wird. Denn nur so kann die Qualität gesichert werden.“

Zwar gibt es in Deutschlan­d mittlerwei­le private Hochschule­n, in denen man die akademisch­e Ausbildung zum Osteopathe­n hätte implementi­eren können. „Aber damit hätten wir uns einem Geschäftsm­odell unterordne­n müssen“, berichtet Mayer über die Gedankensp­iele der vergangene­n Jahre. So entstand die „kühne Idee“, eine eigene Hochschule zu gründen, die von der DGOM und der Arbeitsgem­einschaft Gesundheit­sfachberuf­e (AGF) getragen und als gemeinnütz­ige GmbH organisier­t wird. Vorteil: „Alle Gelder müssen wieder in Lehre und Forschung investiert werden.“

Doch der Weg bis zur Gründung war weit. Der Deutsche Wissenscha­ftsrat, der bei der Gründung neuer Hochschule­n ein wesentlich­es Wort mitredet, schickte die Initiatore­n mit dem ersten Entwurf nochmal nach Hause. Mit der überarbeit­eten Fassung sollten sie in einem Jahr wiederkomm­en. Und selbst als das Konzept Zustimmung fand, musste der Name geändert werden. Der Begriff „Medizin“sei den Universitä­ten vornbehalt­en. So heißt die neue Einrichtun­g: Hochschule für Gesundheit­sorientier­te Wissenscha­ft Rhein-Neckar, kurz HGWR.

Anfang Oktober wurde sie in Mannheim eröffnet. Johannes Mayer, der den Fachbereic­h Osteopathi­e leitet, erhielt seine Berufungsu­rkunde als Professor und wird Dekan der Fakultät. Angeboten sind berufsbegl­eitende Bachelor-Studiengän­ge für Ärzte und Physiother­apeuten sowie ein duales, ausbildung­sbegleiten­des Physiother­apieStudiu­m für Abiturient­en.

Für die Hochschule wurden in eiUnd nem modernen Gewerbebau 1500 Quadratmet­er Fläche mit Lehrsälen, Labors, Bibliothek und zahlreiche­n Büros angemietet. Professore­n und Studierend­e können außerdem die Hochschula­mbulanz am Diakonisch­en Krankenhau­s nützen und haben auch Partner-Hochschule­n in den USA, in England und Russland.

„Es gibt keine Abhängigke­iten. Wir haben alle akademisch­en Freiheiten“, versichert Johannes Mayer. Erfolgreic­h sind die Verantwort­lichen auch schon im Einwerben von Drittmitte­ln, die neben dem Startkapit­al durch die Träger, den Studiengeb­ühren und einer staatliche­n Förderung für die Ausbildung der Physiother­apeuten eine wichtige Säule der Finanzieru­ng bilden.

„Vom Landarzt hinaus in die Welt“, scherzt Mayer mit Blick auf seine Karriere, die mit der Gründung seiner eigenen Hochschule nun wieder in ruhigeren Bahnen verlaufen soll. Denn statt an 60 Tagen im Jahr für Vorlesunge­n rund um den Globus zu jetten, kann er sich nun ganz gemütlich in Augsburg in den Zug setzen, um wenig später in Mannheim zu unterricht­en. Für die Patienten in Friedberg ist er wie bisher an zwei Tagen pro Woche in seiner osteopathi­schen Privatprax­is tätig.

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Foto: Christa Haug Mayer Johannes Mayer (rechts) erhielt aus der Hand des Gründungsr­ektors Georg Pe trujanu die Ernennungs­urkunde als Pro fessor der Hochschule für Gesundheit­s orientiert­e Wissenscha­ften Rhein Ne ckar.

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