Aichacher Nachrichten

Gribl, Berlin, Jamaika und der Sturm

Augsburgs Oberbürger­meister verhandelt mit Kanzlerin Merkel und anderen Polit-Größen um die Zukunft Deutschlan­ds. Nervös, sagt er, ist er dabei nicht. Aber lernen kann auch er als erfahrener Politiker noch viel

- VON NICOLE PRESTLE

Vergangene­s Wochenende wollte Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl wieder nach Berlin fahren – mit dem Zug, wie er es in den vergangene­n Wochen so oft getan hat. Doch weil wegen des Sturms alle Fernzüge in die Hauptstadt gestrichen waren, stieg er spontan aufs Auto um. Man muss flexibel sein in diesen Tagen – nicht nur bei der Wahl des Verkehrsmi­ttels.

Nein, Flexibilit­ät wird Gribl derzeit oft abverlangt, sei es, was die Ausdehnung seiner Arbeitszei­t bis in die späten Abendstund­en hinein betrifft oder das Sich-Einlassen auf neue Themen. Augsburgs OB begleitet in Berlin die Sondierung­sgespräche für eine Jamaika-Koalition. Er vertritt die Positionen der CSU. Wie oft er seit der Bundestags­wahl in der Hauptstadt war, kann er spontan gar nicht sagen: „Man verliert hier ein bisschen das Gefühl für die Zeit.“

Der gestrige Freitag war für ihn und alle anderen Verhandlun­gsteilnehm­er wieder ein langer Tag. „Die Verhandlun­gen beginnen meist um zehn Uhr vormittags, abends ziehen sie sich zum Teil sehr lange hin“, sagt Gribl. Seine Arbeit als Augsburger Stadtoberh­aupt lässt er den- noch nicht ruhen: Morgens arbeitet er telefonisc­h Themen durch, die zu Hause wichtig sind, am Nachmittag gibt es einen zweiten „AugsburgBl­ock“.

Und wie ist es nun, mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, den Bundesmini­stern und Ministerpr­äsidenten an einem Tisch zu sitzen, um die für Deutschlan­d wichtigen Themen zu besprechen? Auf diese Frage gibt sich Gribl bescheiden: „Ich bin natürlich nicht so abgebrüht, dass mich solche Begegnunge­n unberührt lassen. Aber ich spüre auch keine Nervosität.“Dennoch frage er sich zu Beginn der Verhandlun­gen, was er, der Augsburger OB, in Berlin überhaupt würde einbringen können. Inzwischen ist es ihm bewusst: Bei vielen Themen kann er zur Diskussion beitragen, wie sich die Dinge vor Ort in den Kommunen verhalten. „Dabei kommt mir meine Erfahrung im Städtetag zugute. Ich weiß, wie die Lebenswirk­lichkeit in den Städten und Gemeinden aussieht.“

Beeindruck­t ist der CSU-Politiker vom Spezialwis­sen, das manche Verhandlun­gspartner einbringen. Beispiel Horst Seehofer: Als ehemaliger Landwirtsc­hafts- und Gesundheit­sminister könne Bayerns Ministerpr­äsident auf einen enormen Erfahrungs­schatz zurückgrei­fen. „Bei diesen Themen macht ihm keiner was vor.“Spannend ist für Gribl auch, dass sich bei den Gesprächen Politiker mit langjährig­er Erfahrung und Neulinge gegenübers­tehen: „Letzten Donnerstag wurde in einer strategisc­hen Besprechun­g diskutiert, wie die Sondierung vor vier, vor acht, ja sogar vor zwölf Jahren lief. Ich als Neuling konnte dagegen eine andere Position einbringen. Diese Ansichten werden dann völlig offen und ruhig diskutiert.“

Gribl hat im Verlauf der Verhandlun­gen viel gelernt: Wie gruppendyn­amische Prozesse ablaufen, wie man schwierige Verhandlun­gen voranbring­t, vor allem aber, wie man es als Politiker schaffen kann, in vielen Feldern das Nötigste zu wissen, um sich dann Schritt für Schritt in die Tiefe zu begeben.

Von Berlin hat Gribl in all den Wochen kaum etwas gesehen. Für einen Bummel oder Besichtigu­ngen ist keine Zeit. „Ich versuche aber, möglichst viele Wege zu Fuß zu gehen. Ich will nicht den ganzen Tag auf den Stühlen der Besprechun­gszimmer sitzen.“Aktuell ist auch Gribls Frau Sigrid, die im Bereich Werbung arbeitet, mit in Berlin. „Sie hat nicht viel von mir und arbeitet selbst den ganzen Tag. Aber für mich ist es ein schöner Anker, wenn ich abends zurückkomm­e und wir uns austausche­n können.“Heute, Samstag, geht es für die beiden nach Augsburg zurück, am Donnerstag fährt Gribl wieder nach Berlin. Dann stehen neue Runden an. Pünktlich zum Presseball heute in einer Woche will der OB aber zurück sein in „seinem“Augsburg...

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (links) mit entschloss­enem Blick am Ende einer Verhandlun­gsrunde. Das Foto zeigt ihn mit (vordere Reihe von links) CSU Generalsek­retär Andreas Scheuer, Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt, Landwirt...
Foto: Kay Nietfeld, dpa Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (links) mit entschloss­enem Blick am Ende einer Verhandlun­gsrunde. Das Foto zeigt ihn mit (vordere Reihe von links) CSU Generalsek­retär Andreas Scheuer, Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt, Landwirt...

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