Warum der Süchtigen Treff in dieses Haus soll
Referent Dirk Wurm verteidigt seine Entscheidung, ein ehemaliges Restaurant in Oberhausen zur Anlaufstelle für Abhängige zu machen. Mit welchen Argumenten er die Anwohner doch noch für die Idee gewinnen möchte
Der Aufschrei ist nicht nur in Oberhausen groß: Der von der Stadt in der Dinglerstraße geplante Süchtigen-Treff, in dem Alkohol- und Drogenabhängige sozialpädagogisch betreut werden sollen, stößt auf große Skepsis und nicht selten auf massive Ablehnung. Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD), der das Konzept umsetzen möchte, hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass es „ein Fehler“gewesen sei, die Anwohner nicht früher in die Debatte einzubinden. Dies wird jetzt nachgeholt.
Wurm ist vor Ort, um sich mit Anwohnern auszutauschen. Er macht sich dafür stark, dem Projekt eine Chance zu geben. Eine Mitstreiterin für diesen Weg hat Wurm in der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft (Arge) der Oberhauser Vereine, Hannelore Köppl. „Wir unterstützen vonseiten des Vereins mehrheitlich die Position des Referenten“, sagt sie, „man kann es doch auf alle Fälle einmal ausprobieren.“
Köppl weiß aber, dass das Thema in Oberhausen hoch emotional diskutiert wird und es nicht leicht sein dürfte, die Gegner des Projekts umzustimmen. „Die Süchtigen, die sich jetzt am Oberhauser Bahnhof aufhalten, sind auch Menschen, und sie sollen auch wie Menschen behandelt werden“, betont Köppl, die stellvertretende Vorsitzende im CSUOrtsverband ist. Dass der Ortsvorsitzende Thomas Lidel massiv gegen den Standort wettert, bezeichnet seine Stellvertreterin „als Alleingang“. Es sei zudem immer klar gewesen, dass der Raum für die sozialpädagogische Betreuung rund 500 Meter vom Bahnhof entfernt sein könne. Als Standort ist das ehemalige Lokal „Paparazzi“vorgesehen. Zwei Jahre soll der Mietvertrag laufen, sofern sich das Projekt umsetzen lässt. Vermieter ist Sebastian Priller (Brauhaus Riegele).
Referent Wurm sieht trotz der teils massiven Kritik auch weiterhin die Chance, den Süchtigen-Treff zu installieren: „Zunächst mal ist zu sagen, dass mein persönlicher Eindruck aus meinen derzeitigen VorOrt-Besuchen bei den Anwohnern ein anderer ist als der, der sich öf- darstellt. Viele sind skeptisch, aber nicht grundlegend ablehnend.“Man müsse miteinander sprechen, und das gelinge zusehends. Der Standort sei unter den zur Verfügung stehenden Immobilien der am besten geeignete, da er fußläufig erreichbar sei und die Räumlichkeiten selber für einen betreuten Treff funktionieren.
Die von Anwohnern geäußerten Sorgen nehme die Stadt ernst. Zu deren Schutz werde ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt: Der Treffpunkt ist an einzelnen Werktagen nur mittags bis nachmittags in Betrieb. Abends gehen die Betroffenen, so die Erfahrung aus anderen Städten, zurück in ihre Wohnungen. Es gebe eine klare Hausordnung, Menschenansammlungen vor dem Treff werden nicht geduldet. Ein anderer Punkt: Ein sogenanntes Umfeldmanagement, das die Nachbarschaft in das Projekt einbezieht, und ein monatlicher runder Tisch für den Austausch zwischen Nachbarschaft, den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Einrichtung und der Stadt begleiten das Projekt. Zudem werde der Ordnungsdienst rings um den betreuten Treff regelmäßig präsent sein.
Dass der Treff dienstags bis freitags von 13 bis 18 Uhr geöffnet sein soll, hängt laut Wurm an den zur Verfügung stehenden Geldern. Für die Betreuung der Süchtigen sind die Drogenhilfe und der SKM zuständig. Beide Organisationen wollen sich gegenwärtig nicht dazu äußern, welches Konzept im Süchtifentlich gen-Treff greifen soll. Intern laufen Abstimmungen, wie die Kommunikation nach außen laufen soll, heißt es. Beide Träger betonen, dass es sich um ein gemeinsames Anliegen handle. Man wolle daher mit einer Stimme reden.
Kritik entzündet sich gegenwärtig daran, dass in den Räumen des Süchtigen-Treffs Alkohol getrunken werden darf. Wurm verweist auf die interne Abstimmung mit Drogenhilfe und SKM, die die Süchtigen betreuen: „Zwei Sozialarbeiter sind für Gespräche, Betreuung und Beratung während der Öffnungszeiten vor Ort. Wäre der Konsum von Alkohol nicht gestattet, würde das Klientel sich vor der Tür aufhalten. Genau das wollen wir aber nicht.“Daher gestatte die Hausordnung das Mitbringen und den Konsum geringer Mengen niedrigprozentiger alkoholischer Getränke (Bier und Wein). Hochprozentiger Alkohol (Schnaps) sei strikt verboten.
Edith Girstenbrei-Wittling, Leiterin der Caritas-Suchtambulanz, sieht im geplanten Angebot in Oberhausen eine Chance für die Abhängigen: „Ein wichtiger Punkt ist, dass diese Menschen wieder als Teil der Gesellschaft gesehen werden.“Der Süchtigen-Treff ermögliche ihnen neue soziale Kontakte und einen respektvollen Umgang. „Nur so ist es möglich, dass die Betroffenen darüber nachdenken, ihr Leben zu ändern.“Ein gelungenes Beispiel für einen Süchtigen-Treff sei das Café Berta in Dortmund. Auch dort hatte es zunächst Proteste gegen den „Saufraum“gegeben. Inzwischen habe sich eine gute Nachbarschaft entwickelt.
Dass ein Süchtigen-Treff, der von manchen auch als Trinkerstube bezeichnet wird, polarisiert, sei nicht nur in Augsburg der Fall, sagt Dirk Wurm. Diskussionen über solche Standorte gab und gibt es in vielen Städten, so der Referent: „Meist haben die positiven Erfahrungen nach einer gewissen Laufzeit überwogen und die Ablehnung hat sich in ein Miteinander gewandelt.“
Um sich von solchen Projekten zu überzeugen, war eine Delegation aus Augsburg war vor Ort in Dortmund: „Der Treff wird angenommen und stellt für die Anwohner, die am Anfang genauso skeptisch waren wie bei uns, keine Belastungen dar.“Ein zentraler Platz, an dem sich ehemals über hundert Personen der Alkoholiker- und Drogenszene getroffen hätten, sei nun wieder für alle Bürger nutzbar. Ein Künstlercafé sei eröffnet worden. Zudem entstand ein neuer Kinderund Jugendspielplatz.
Die Situation in Oberhausen ist angespannt. Viele Anwohner sträuben sich gegen den geplanten Süchtigen-Treff. Redakteur Jan Kandzora hat sich vor Ort umgehört. Mit der Frage, was bei Standortwahl und Information schiefgelaufen ist, beschäftigt sich Redakteurin Nicole Prestle.