Aichacher Nachrichten

Die Frage der Woche Als Mann Feminist sein?

- RICHARD MAYR WOLFGANG SCHÜTZ

Eigentlich dürfte die Debatte um die Notwendigk­eit des Feminismus nicht mehr geführt werden müssen, müsste es selbstvers­tändlich sein, dass zum Beispiel männliche sexuelle Übergriffe nicht über Jahre, manchmal Jahrzehnte aus Angst vor Nachteilen totgeschwi­egen werden. Und bitte: Es handelt sich nicht um Kavaliersd­elikte, nicht um ein bisschen zu viel Kompliment hier und ein bisschen zu viel Nähe dort von männlicher Seite. Viel mehr zeigt der „Me too“-Aufschrei, wie häufig es zu sexuellen Übergriffe­n kommt, wie sehr sich Männer dabei auf ihre Machtposit­ion stützen, wie ohnmächtig sich Frauen dadurch als Opfer fühlen.

Solange das so ist, bleibt den Männern nichts anderes, als selbst eine feministis­che Position einzunehme­n und zwar so lange, bis es diesen Typ Mann nicht mehr gibt, diesen Typ, der nach dem Ich-binder-Tollste-Prinzip glaubt, auf alles in der Welt ein natürliche­s Recht zu besitzen. Dieser Typ Mann ist für Frauen oft eine Katastroph­e, weil er ein „Nein“nicht als „Nein“gelten lässt. Er ist gleichzeit­ig aber auch wirtschaft­lich eine Katastroph­e, weil er den eigenen Vorteil über alles andere stellt. Man schaue nur auf die Investment-Banker, die vor zehn Jahren fast das ganze Wirtschaft­ssystem an die Wand gefahren haben, weil ihnen ihre astronomis­chen Boni über alles andere gingen.

Ja, Frauen sollen genauso häufig in Führungspo­sitionen zu finden sein wie Männer und dabei genauso viel wie Männer verdienen. Und, siehe Boni-Banker: Das wäre für alle von Vorteil. Gleichzeit­ig sieht man jetzt auch wieder, dass das kein Selbstläuf­er ist. Im neu gewählten Bundestag ist die Frauenquot­e von 37 Prozent wieder auf 31 Prozent gesunken. Die alten Strukturen sind langlebig, da hilft nur aktiver Widerstand – als Feminist.

Es kann keine Alternativ­e zur Gleichbere­chtigung der Frau geben. Und all die aktuell aufgedeckt­en Fälle von Sexismus zeigen, wie viel weiterhin zu tun ist gegen eine noch immer weit verbreitet­e, giftige Ausprägung der Männlichke­it. So! Dass nicht der Verdacht entsteht, es ginge hier irgendwie um Anti-Feminismus. Warum sich aber als Mann nicht zum Feminismus bekennen?

1. Das Prinzipiel­le: Wie in jedem „-ismus“steckt auch im Feminismus das Problem der ideologisc­hen Verengung. Alle auch nur irgendwie so zu deutenden Probleme der Gesellscha­ft werden auf diesen strukturel­len Missstand zurückgefü­hrt – oder fallen, wenn sie so gar nichts damit zu tun haben, einfach durchs Raster. Der einzig wahre „-ismus“ist der Humanismus – denn das Ideal der Menschlich­keit ist umfassend und damit mehr als eine wohlfeile Ansammlung einzelner Problemper­spektiven.

2. Das Persönlich­e: Wer sich mit einer Bewegung identifizi­ert, kommt um deren Leitfigure­n nur schwerlich herum. Und bezüglich des Feminismus sind das hier und heute die ewige Alice Schwarzer, die schrille Laurie Penny und die verschwurb­elte Judith Butler – die teilweise untereinan­der streiten wie die Kesselflic­ker. (Dazu kommt noch ein irgendwie zwischen hitzig und ironisch mäandernde­r Online-Feminismus). Mal interessan­t, mal ärgerlich, mal gut, was die Damen sagen. Aber Teil einer Bewegung sein, deren diffuse Spitze sie darstellen? Nein, lieber nicht. 3. Das Unbehagen: Der Mann ist traditione­ll Gegenüber des Feminismus. Ist es da nicht identitäts­verfälsche­nd und blind wichtigtue­risch, sich als Mann, der sich auch gegen die schädliche Ausprägung der Männlichke­it stellen will, einfach rüber zu wechseln? Muss das künftig Gemeinsame nicht neu, in der Mitte entstehen?

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