Der Kunde hat es in der Hand
Da passt doch etwas nicht zusammen: Nur in wenigen Ländern wird mehr verdient als bei uns. Mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von über 3700 Euro brutto liegen die Deutschen im internationalen Vergleich auf einem Spitzenplatz. Und dennoch sind in keiner Industrienation die Lebensmittelpreise so niedrig wie in Deutschland.
Beim Bäcker, an der Fleischtheke und vor dem Kühlregal sind die Deutschen Pfennigfuchser. Für die Fahrt zum Discounter steigen sie hingegen ohne zu zögern in spritschluckende SUVs und teure Sportwagen. Ein Verhalten, das nicht ohne Folgen bleibt: Kaum ein Quartal vergeht ohne Berichte über skandalöse Zustände in der Tierhaltung, die Rote Liste weist immer mehr bedrohte Arten aus. Zuletzt schlug ein internationales Expertenteam Alarm, weil in den vergangenen 30 Jahren der Insektenbestand in Deutschland um mehr als drei Viertel gesunken ist – mit dramatischen Folgen für das gesamte Leben.
Die Landwirte verweisen auf den hohen Kostendruck, der bei der Produktion von Lebensmitteln herrscht. Freilandhaltung von Hühnern, Verzicht auf Antibiotika in der Mast, maschinelle Unkrautbeseitigung – all das lässt sich mit Dumpingpreisen im Supermarkt eben nicht vereinbaren, die viele Verbraucher höchstens zu zahlen bereit sind. Die Konzentrationsbewegung im Lebensmittelhandel trägt dazu bei, diese Erwartungshaltung direkt an die Erzeuger weiterzugeben.
Der Kunde hat es schließlich in der Hand, wo, wie viel und zu welchem Preis er einkauft.
Das Bewusstsein für diesen Zusammenhang ist offenbar nur wenig ausgeprägt. Solange sich am Konsumverhalten nichts ändert, werden sich auch die Nachrichten über den Zustand unserer Natur nicht verbessern.