Aichacher Nachrichten

Ohne Glyphosat wird’s teurer…

Doch dafür gibt’s einen Krebserreg­er weniger auf dem Feld, so die Kritiker. Noch ist unklar, ob es weiter zugelassen wird. Verbot bliebe nicht ohne wirtschaft­liche Folgen

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER (mit cli)

Aichach Friedberg Fast auf die Hälfte der Felder in Deutschlan­d wird derzeit Glyphosat gesprüht. Die Bewertunge­n des Unkrautver­nichtungsm­ittels durch Wissenscha­ftler sind widersprüc­hlich. In einigen Studien wird das meistverwe­ndete Herbizid als krebserreg­end eingestuft. In Kürze läuft die Erlaubnis für den Einsatz des Pflanzengi­fts aus. Um eine Verlängeru­ng der Lizenz wird derzeit bei der EU intensiv gestritten. Die Glyphosat-Debatte gewinnt indes auch im Wittelsbac­her Land an Brisanz. Hier ging der Bund Naturschut­z schon vor zwei Jahren gegen Round-up und Co. auf die Barrikaden. Würde der Wirkstoff verboten, so ginge der konvention­ellen Landwirtsc­haft ein wirksames und günstiges Instrument zur Bodenbearb­eitung verloren, sagen dagegen deren Vertreter.

Reinhard Herb, Kreisobman­n beim Bauernverb­and (BBV), verfolgt die Entwicklun­g: „Bei uns in der Region kommt Glyphosat nicht oft zur Anwendung“, weiß er. Doch sei der Stoff ein wichtiges Mittel im Mulchsaatv­erfahren. „Bevor der Mais angepflanz­t wird, wird eine Zwischenfr­ucht angesät“, erklärt der Sielenbach­er. Der Boden bleibt bewachsen, Erosionen im Acker werden verhindert. Im Frühjahr kommt Glyphosat zum Einsatz. „Die Mulchsaat wird abgetötet und der Mais hat optimale Bedingunge­n, um zu wachsen“, so der Landwirt. Auch Albert Höcherl vom Fachzen- für Pflanzenba­u im Landwirtsc­haftsamt Augsburg bestätigt: „Glyphosat ist bei uns im Prinzip von untergeord­neter Bedeutung.“Der Wirkstoff komme vor allem in der Stoppelbod­enbearbeit­ung zur Anwendung, um Unkrautpro­bleme in der vegetation­slosen Zeit in den Griff zu bekommen. Verschwind­e es vom Markt, wären die wirtschaft­lichen Konsequenz­en immens, betonen konvention­elle Bauern: Die Rede ist von Mehrausgab­en in Milliarden­höhe. Auch Wolfgang Gutmann vom BBV-Kreisverba­nd moniert: Sollte das Mittel nicht mehr verfügbar sein, hätte der herkömmlic­he Ackerbau ein Problem. „Glyphosat ist so nicht ersetzbar“, sagt der Geschäftsf­ührer. Alternativ­en gebe es seines Wissens nicht. „Biobetrieb­e gehen gegen das Unkrautauf­kommen maschinell vor.“Doch ziehe das höhere Kosten mit sich – für Erzeuger und Verbrauche­r. Gleichzeit­ig sei der Verbrauche­r oft nicht bereit, diesen Preis zu tragen. Landwirt Herb vertritt einen vergleichb­aren Standpunkt. „Früher hat der Frost die Mulchsaat abgetötet.“Auf diesen sei heute nicht mehr Verlass. Mechanisch­e Maßnahmen wie das traditione­lle Pflügen „zerkleiner­n, zertrümmer­n und zerschlage­n die Mulchsaat“. Höcherl prophezeit: „Es werden mehr Bearbeitun­gsgänge nötig, andere Verfahren werden zunehmen.“So würden geschätzt etwa 180 000 Tonnen Diesel deutschlan­dweit mehr vertrum braucht. Resistenze­n auf dem Acker nähmen zu.

Umweltschü­tzer machen das Unkrautver­nichtungsm­ittel für den rasanten Artenschwu­nd verantwort­lich. „Die Vogelwelt der Wiesenund Feldflure ist die gefährdets­te in ganz Deutschlan­d“, sagt Hans Günter Goldscheid­er, stellvertr­etender Kreisleite­r des Landesverb­unds für Vogelschut­z (LBV). Als Ursachen lägen die Landwirtsc­haft und ihre Methoden nahe, denkt der Vogelexper­te. So benötigten Jungvögel Insekten als wichtige Eiweißquel­le. Die würden aber durch den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat drastisch reduziert. „Wir müssen mehr auf die Biologie der Umwelt achten als auf die Optimierun­g der Landwirtsc­haft“, fordert er. LBV-Kreisvorsi­tzender Gustav Herzog findet ebenso klare Worte: „Glyphosat ist ein Gift.“Es müsse aus der Landwirtsc­haft verbannt werden – sofort.

Wolfgang Gutmann betrachtet Studien wie die der WHO mit Skepsis: „Die Institute konnten nicht endgültig beweisen, ob eine krebserreg­ende Substanz vorliegt.“Ähnlich kritisch sieht es Herb. „Alle Institute schätzen das Risiko als gering ein.“Der Debatte fehle die sachliche Grundlage. „Sie ist zu einem Machtkampf geworden.“Höcherl plädiert für Beachtung der Fakten: „Im Vergleich zu anderen chemischen Daten ist der Wirkstoff wenig besorgnise­rregend.“Glyphosat sei in seiner Giftigkeit niedrig anzusiedel­n, schnell abbaubar und wirke nur kurz.

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