Sie gibt missbrauchten Frauen ihre Stimme zurück
Wie die bosnische Sängerin Ljiljana Winkler traumatisierten Opfern in Deutschland hilft
Oft gibt es Probleme mit dem richtigen Atmen, teilweise stimmt die Tonlage nicht, manchmal ist ein Hass auf die eigene Stimme spürbar. Wenn Frauen Opfer von Missbrauch waren, kann sich das vielfältig auswirken, auch stimmlich. Denn die Stimme ist ein Spiegel der Seele. Diese Beobachtung macht Ljiljana Winkler. Die Bosnierin ist Opernsängerin und Lehrbeauftragte für Gesang an der Universität Augsburg. Ehrenamtlich hilft sie traumatisierten Frauen, ihre eigene Stimme wieder zu finden.
Beruflich ist Winkler als Solistin auf vielen Bühnen Europas unterwegs. Sie bildet professionelle Sänger und Hobbysänger aus. Und sie arbeitet ehrenamtlich mit dem Augsburger Verein Wildwasser zusammen. So begegnen ihr immer wieder Frauen, die mit ihrer eigenen Stimme nicht zurechtkommen. Manchmal steckt eine Traumatisierung hinter den Problemen, etwa, wenn die Frau Opfer von Missbrauch war und diese schlimme Erfahrung nicht verarbeiten konnte. Das kann sich auf den Körper auswirken, erläutert Winkler. „Unsere Stimme ist ein Ausdruck dessen, wie wir uns innerlich fühlen.“
Die Sängerin und Dozentin will dazu beitragen, zu helfen. Das geschieht durch Stimmübungen. Sie sollen traumatisierte Frauen wieder besser mit ihrem Körper verbinden. Auch Lieder helfen. „Oft suchen sich diese Frauen intuitiv Stücke aus, die zu ihrer eigenen Lebensgeschichte passen“, sagt Winkler. Die Interpretation dieser Musik könne Verdrängtes wieder an die Oberfläche bringen und helfe, Erlebnisse zu verarbeiten. Das Ergebnis der Übungen kann sein, dass traumatisierte Frauen weniger Angst haben, dass sie sich selbst mehr zutrauen und künftig gelingende Beziehungen aufbauen können.
Ljiljana Winkler ist an der Universität Augsburg nicht nur Lehrbeauftragte für Gesang. Sie studiert auch Musiktherapie. In dieser Funktion will sie einen eigenen therapeutischen Ansatz entwickeln. Ihre Erfahrungen lässt sie in die Masterarbeit einfließen. Sie dreht sich um das Thema „Trauma und Singstimme“. Dort wird sie auch ihren selbst entwickelten, klinischen Ansatz anwenden, mit dem sie die Veränderungen der Stimmqualitäten traumatisierter Frauen durch einen musiktherapeutisch ausgerichteten Gesangsunterricht beschreibt. Laut Professorin Susanne Metzner ist dieser Ansatz für das Fach Musiktherapie und über den Musiktherapie-Standort Augsburg hinaus wegweisend.
Ob Künstlerin, Dozentin oder Ehrenamtlerin – Ljiljana Winkler ist durch ihr Engagement besonders aufgefallen. Am Mittwoch darf die Bosnierin dafür eine besondere Auszeichnung entgegennehmen: den Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für hervorragende Leistungen ausländischer Studentinnen und Studenten an deutschen Hochschulen, kurz DAADPreis. Neben ihrem Engagement habe Winkler auch ein „besonderes Gespür für Menschen am Rande der Gesellschaft“, heißt es in einem Gutachten für die Auszeichnung.
Und was hat die Preisträgerin in Zukunft vor? Als Sängerin wird Winkler im kommenden Jahr bei Konzerten in Saarbrücken und in Bosnien zu hören sein. In Augsburg will sie wieder bei der langen Kunstnacht dabei sein. Ab April wird sie eine Stelle als Dozentin für Musiktherapie an der Berufsfachschule für Logopädie antreten. ⓘ
Auszeichnung Der DAAD Preis wird am Mittwoch, 15. November 2017, ab 19 Uhr im Uni Physik Hörsaalzentrum, Universitätsstraße 1, verliehen.