Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum
chael Jahre lang getan hat, der auch mal in einer kleinen Hütte im Schrebergarten einer Verwandten schlief. Durch den angespannten Wohnungsmarkt könne die Zahl dieser Menschen in der Stadt auch bei über 1000 liegen, sagt Sozialreferent Kiefer. Sozialarbeiter Bliesener nennt ebenfalls diese Zahl. Etwa 1000 Menschen „mit einem Dach über dem Kopf“, aber davon bedroht, auf der Straße zu landen. Viele von ihnen, sagt Bliesener, würden Angebote wie die Wärmestube des SKM annehmen: Räume in der Klinkertorstraße, in denen es für wenig Geld warme Mahlzeiten, Brotzeiten und Tee gibt.
An diesem Tag sitzen hier etwa zwei Dutzend Menschen an den Tischen, schlürfen Suppe oder wärmen sich mit Tee. Luis ist einer von ihnen. Er ist einer der jüngeren hier, noch keine 30, aber er hat schon einiges erlebt, so ist es nicht. Wenn man auf der Straße lebe, sagt er, sei es besser, unter einer Brücke zu schlafen als mitten in der Stadt. Dort bestehe die Gefahr, überfallen oder verprügelt zu werden, etwa von betrunkenen Jugendlichen. Ihm selber ist das noch nicht passiert, aber gehört hat er davon. Luis war mal im Gefängnis, und als er wieder rauskam, berichtet er, fand er keine Wohnung. Das sei der Knackpunkt gewesen. Erst lebte er in einer Obdachlosenunterkunft, dann auf der Straße, heute wieder in einer Unterkunft. Das Leben auf der Straße, sagt er, sei hart, auch wenn man irgendwann Leute kenne, die helfen.
Wie berichtet, plant die Stadt, die Unterbringung von Obdachlosen zu verbessern. In Pfersee soll es beispielsweise ab dem Frühjahr eine neue Unterkunft speziell für obdachlose Frauen geben. Bis zu 30 Frauen sollen übergangsweise ein Dach über dem Kopf erhalten.
Luis hofft darauf, dass es in der Zukunft besser läuft. „Das Normale“, sagt er. Einen festen Wohnsitz, eine Familie. Und natürlich eine eigene Wohnung.
Obdachlose schlafen nicht aus Lust und Laune auf der Straße. Den Satz, niemand müsse obdachlos sein, hört man oft, was ihn in seiner Pauschalität nicht richtiger macht. Es gibt Menschen, die durchs Netz fallen; Situationen, in denen der Sozialstaat zu spät greift; Fälle, in denen sich jemand nach einer Serie von Schicksalsschlägen nicht erholt. Gut 1000 Menschen sind in Augsburg offenbar von der Obdachlosigkeit bedroht, so genau weiß das niemand. Wenige sind es jedenfalls nicht.
Die Stadt muss deshalb aufpassen, dass sich die Lage nicht weiter verschärft. Dass EU-Bürger aus ärmeren Ländern der Union in Augsburg ihr Glück suchen und offenbar oft keine Bleibe finden, ist nichts, wofür die Stadt etwas kann, aber mit der Situation umgehen muss sie schon – und nicht nur aus diesem Grund langfristig wohl weitere Plätze in den Unterkünften schaffen. Es ist ja auch absehbar, dass der Neubau an Wohnungen, günstigen zumal, weiter nicht mit der Einwohnerentwicklung Schritt halten wird, was die Wohnungsnot in der Stadt erhöhen wird. Dass zudem viele aktuelle „Fehlbeleger“Wohnraum brauchen werden, also anerkannte Flüchtlinge, die wegen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter in Gemeinschaftsunterkünften leben, macht die Lage nicht einfacher.
Es ist daher gut, dass Sozialbürgermeister Stefan Kiefer das Thema angepackt hat: Dass marode Unterkünfte saniert und eine Unterkunft speziell für Frauen geschaffen werden sollen, was ja als Nebeneffekt auch weitere Schlafplätze für Obdachlose bedeutet, ist ein richtiger Schritt. Letztlich müssen Staat und Kommunen – nicht nur in Augsburg – vor allem erheblich mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Ansonsten droht, als ein Negativeffekt von vielen, eine weitere Steigerung der Zahl der Obdachlosen.