Zwang im Ehrenamt wäre nicht sinnvoll
Jetzt nach dreieinhalb Jahren schon mehr zurückgetretene Stadtund Gemeinderäte als in der ganzen vorherigen Amtsperiode? Gehen da Mandatsträger etwa nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit an die Sache? Das fällt – trotz der Zahlen – schwer zu glauben. Gemessen an allen Stadt- und Gemeinderatsmitgliedern im Landkreis halten sich die Rücktritte auch nach der gesetzlichen Lockerung im Rahmen – auch wenn es mehr geworden sind.
In sechs Jahren einer Amtsperiode kann sich nun mal viel ändern: Eltern bekommen Nachwuchs, ein älteres Familienmitglied wird pflegebedürftig, im Job warten neue Aufgaben oder weitere Wege, ein Umzug steht bevor, gesundheitliche Probleme treten auf. Auch ein Streit im Gremium, in der Fraktion oder Kritik aus der Bevölkerung können Gründe oder Motive für einen Rückzug sein.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Welchen Sinn hätte es, jemanden im (Ehren-)Amt zu halten, wenn er es aus eigener Sicht nicht mehr ausüben kann oder will? Das wäre für niemanden ein Gewinn. Die gelockerten Regeln sorgen vielleicht sogar dafür, dass sich mancher Kandidat das Amt eher zutraut, wenn er weiß, dass er sich nicht für sechs Jahre zwangsverpflichtet.
Mehr potenzielle Kandidaten können nicht schaden. Viele Gruppierungen – gerade in kleinen Orten – haben vor Kommunalwahlen Mühe, genügend Bewerber aufzutreiben. Damit die Listen überhaupt voll werden, werden zum Teil Personen darauf gesetzt, die eigentlich kein Interesse an einem Mandat haben. Wenn sie mehr Stimmen bekommen als erwartet oder nachrücken, finden sie sich unverhofft im Gemeinderat wieder. Fraglich, was dann besser ist: Wenn sie ihr Mandat halbherzig ausüben oder es sein lassen, obwohl Wähler ihnen ihre Stimme gegeben haben? Auch in solchen Pseudokandidaturen liegt möglicherweise ein Grund für so manchen späteren Amtsverzicht.