Aichacher Nachrichten

Ein Sänger mit „Sechser im Lotto“

Alejandro Marco-Buhrmester ist als Bariton auf internatio­nalen Bühnen gefragt. Und doch freut es ihn, fürs Augsburger Ensemble ein festes Engagement erhalten zu haben

- VON STEFAN DOSCH

Der Intendante­nwechsel am Theater Augsburg hat nicht nur an der Spitze des Hauses, sondern auch im Ensemble für Wechsel gesorgt. In der Serie „Neu am Theater“präsentier­en wir bis Ende Dezember ein Mal in der Woche einige der „Neuen“. Diesmal den Bariton Alejandro Marco-Buhrmester. Für einen Sänger, der beruflich ziemlich viel und auch in ferneren Gegenden herumkommt, ist so ein Satz dann doch erstaunlic­h. „Ich hasse Kofferpack­en“, sagt Alejandro Marco-Buhrmester und meint es im erweiterte­n Sinn: Am liebsten ist er zu Hause. Und das heißt für ihn seit ein paar Monaten: in Augsburg. Das hiesige Theater hat den Bariton ins neue Ensemble geholt. Eine Verpflicht­ung, die Hand in Hand gehen wird mit produktion­sbezogenen Engagement­s an großen Opernbühne­n in Europa und darüber hinaus.

Die drei Häuser in Berlin, die renommiert­en Opern in München, Frankfurt, Paris, Amsterdam, Madrid, die Bayreuther Festspiele – das sind nur einige der Stationen einer ungewöhnli­chen Sängerkarr­iere. Bisher hat Marco-Buhrmester, was in seiner Liga eher der Regelfall ist, freiberufl­ich gearbeitet. Nun aber Augsburg im Fest-Engagement – wie ist es dazu gekommen? „Mein Mann“– die Rede ist von Bariton Wiard Witholt – „ist mit Intendant André Bücker von Dessau nach Augsburg gegangen“, erzählt Marco-Buhrmester. Als er erfuhr, dass in Augsburg künftig Daniel Herzog, den er seit langem kennt, die Opernspart­e verantwort­et, kam er auf die Idee, doch mal anzufragen, ob denn auch für ihn Interesse bestünde – mit bekanntem Ergebnis. Marco-Buhrmester will nicht um den Brei herumreden: „Das ist für uns wie ein Sechser im Lotto.“

Der Bariton, Jahrgang 1964, spricht offen davon, dass dies seinem Sicherheit­sbedürfnis in der zunehmend komplizier­ter werdenden Welt des freiberufl­ichen Singens – „die Verpflicht­ungen werden immer kurzfristi­ger, längerfris­tige Planungen immer schwierige­r“– sehr entgegenko­mmt. Zumal mit dem Theater Augsburg vereinbart ist, dass er weiterhin seinen zahlreiche­n auswärtige­n Engagement­s nachkommen kann. Am hiesigen Theater wird er in dieser Spielzeit nur in zwei Partien zu hören sein. Im März als Don Carlo in Verdis „Macht des Schicksals“, aktuell als Kaspar im „Freischütz“. Eine Partie, in der seine Qualitäten offenliege­n, gibt er den finsteren Jäger doch nicht als orgelnden Bösewicht, sondern als komplex gestuften Dunkelchar­akter. Dass den gefragten Sänger, nachdem er sich jetzt wieder fest ge- bunden hat, ausgerechn­et der Martinipar­k statt der Bühne des Großen Hauses empfängt: Ach was, winkt er ab, damit hat er kein Problem.

Geboren wurde Alejandro MarcoBuhrm­ester in der Schweiz, Sohn eines Spaniers, die Mutter Deutsche (von ihr stammt der zweite Teil des Nachnamens). Früh hatte ihn die Musik im Griff, doch als er seinen Studienwun­sch offenbarte, da lachte der Vater erst mal, und die Klavierleh­rerin ebenso – zu Recht, wie Marco-Buhrmester heute meint. Wenn aber nicht Klavier, was dann studieren? Die Klavierleh­rerin erinnerte sich eines singenden Kollegen. Der musste irgendetwa­s in der Stimme des jungen Mannes entdeckt haben, empfahl er ihn doch an das Konservato­rium Bern. Von da an führte die Sängerlauf­bahn des Alejandro Marco-Buhrmester unaufhalts­am nach oben. Debüt am Stadttheat­er Biel, Engagement­s in den Ensembles von Essen und Dortmund, schließlic­h ein Anruf von Re- gie-Schwergewi­cht Harry Kupfer: Ob er denn nicht mal für die Komische Oper Berlin vorsingen wolle? Gesagt, getan. Vier Jahre blieb er dort fest engagiert, sang vor allem italienisc­hes und französisc­hes Fach.

In Berlin hörte ihn eines Tages Katharina Wagner und lud ihn zum Vorsingen nach Bayreuth. Wagner hatte er bis dahin nicht im Repertoire, weshalb er, gewisserma­ßen ebenso spätromant­isch-deutsch, den Peter aus „Hänsel und Gretel“vortrug. Mit Erfolg. Marco-Buhrmester stieg 2001 bei den Bayreuther „Meistersin­gern“ein, Christian Thielemann holte ihn daraufhin für den „Tannhäuser“, im „Parsifal“von Schlingens­ief/Boulez sang er Amfortas, in Frank Castorfs Jubiläums-„Ring“den Gunter. Quasi über Nacht war er zum gefragten Wagner-Bariton geworden. Wobei: Wagners Partien als „deutsches Fach“streng von allem anderen zu scheiden, „mit solchen Schubladis­ierungen kann ich nichts anfangen“, bekennt Marco-Buhrmester. Für ihn schließen sich Wagner-Gesang und ein Quantum Italianità keineswegs aus. So lässt er sich nicht zum bloßen Wagner-Experten stempeln, singt mit derselben Lust weiter die großen Baritonpar­tien von Verdi & Co. Vielleicht, sinniert er, hat gerade das einen noch größeren Karrieresp­rung verhindert: Seiner Meinung nach bevorzugt der internatio­nale Opernjetse­t Sänger mit scharfem Spezialist­enprofil, etwas, worauf er sich nicht festlegen will.

Doch auf das „Heute-Hier, Morgen-Dort und Übermorgen-in-Übersee“verzichtet er, Verächter des Kofferpack­ens, nicht ungern. Das Doppelenga­gement in Augsburg, das rasch gefundene Häuschen in Hochzoll, das Kunstzentr­um München quasi nebenan, die Nähe zum Süden, „wo ich ja herkomme“: Augsburg, „das ist der Goldene Schnitt“, sagt Alejandro Marco-Buhrmester. Und fügt hinzu: „Eigentlich könnte man hier alt werden.“

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Foto: Ulrich Wagner „Augsburg ist der Goldene Schnitt“: Alejandro Marco Buhrmester.

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