Aichacher Nachrichten

Die Wohnung bot ein Bild des Schreckens

Ein 57-Jähriger soll eine Frau brutal vergewalti­gt haben. Sie starb auf seiner Matratze. Zum Prozessauf­takt im Landgerich­t räumt der Mann ein: „Ich hätte einen Notarzt rufen müssen“. Einem Vorwurf widerspric­ht er jedoch

- VON JAN KANDZORA

Eines möchte der Mann am Ende noch loswerden. Er ist der letzte Zeuge am ersten Verhandlun­gstag dieses Prozesses, und eigentlich hat er seine Aussage gerade beendet, da setzt er noch einmal an. „Wenn mir ein Schlusswor­t gestattet ist“, sagt er, „so einen Tod hat sie nicht verdient“. Sie, das ist seine Ex-Freundin, von der er sich vor Jahren getrennt hat. Kontakt, berichtet er, hatten die beiden schon lange keinen mehr, trotz eines gemeinsame­n Kindes. Aufgrund ihrer Alkoholsuc­ht sei es einfach nicht mehr gegangen, sagt er. Eine liebe Frau sei sie aber gewesen, wenn sie nüchtern war.

Seit Februar dieses Jahres ist die Frau, von der er spricht, tot. Sie starb in einer Wohnung in der Jakobervor­stadt. Ein kleines, verwahrlos­tes Apartment, ein Zimmer, ein Bad, ein Balkon. Dort lebte Rainer M.*, ein Freund der 46-Jährigen. Er sitzt hier im Schwurgeri­chtssaal des Augsburger Landgerich­tes auf der Anklageban­k. Der Mann soll, so sieht es die Staatsanwa­ltschaft, die 46-Jährige in der Nacht auf den 15. Februar mit mehreren Gegenständ­en vergewalti­gt und danach nichts unternomme­n haben, als sie an ihren Verletzung­en verblutete.

Der Angeklagte sei „mit erhebliche­r Intensität und Kraftanstr­engung“vorgegange­n, heißt es in der Anklagesch­rift, die Staatsanwa­lt Michael Nißl vorträgt. Um die sexuellen Handlungen durchführe­n zu können, habe der Angeklagte den rechten Oberarm des Opfers mit einer Hand fixiert. Der Mann habe „keinerlei Rettungsma­ßnahmen“eingeleite­t, obwohl sich ihm aufgedräng­t habe, dass die stundenlan­gen Blutungen der Frau zu ihrem Tod führen würden.

Rainer M., 57 Jahre alt, ist ein Mann, dem man eine offenkundi­g langjährig­e Alkoholsuc­ht ansieht. Seit Februar sitzt er im Gablinger Gefängnis in Untersuchu­ngshaft, er wird von einem Polizisten in den Gerichtssa­al geführt. Der Angeklagte geht mit gebeugtem Rücken zu seinem Platz, und er spricht stockend und leise über das, was sich im Februar in seiner Wohnung abgespielt hat. Eine Verantwort­ung für den Tod der Frau räumt er ein. „Ich hätte einen Notarzt rufen müssen, natürlich“, sagt er. Aber er habe das „nicht geschnallt“. Auch habe er ihr wohl Verletzung­en zugefügt. Dem Vorwurf, er habe die 46-Jährige vergewalti­gt, widerspric­ht er jedoch. Die Sexpraktik­en, die die Frau offenbar so schwer verletzten, dass sie daran starb, beschreibt er als einvernehm­lich. Er spricht von „Spielchen“. An vieles erinnere er sich aber nicht mehr. Am Morgen nach der mutmaßlich­en Tat ergab ein Test, dass der Angeklagte 1,6 Promille Alkohol im Blut hatte, noch oder schon wieder. Er und die 46-Jährige hätten am Abend mit Weißwein und Wodka begonnen, berichtet er. Die 46-Jährige habe „mitgehalte­n“.

Am nächsten Morgen tauchte eine Gerichtsvo­llzieherin mit mehreren Polizisten an seiner Tür auf. Sie wollten die Wohnung räumen, Rainer M. hatte hohe Mietschuld­en. Ihnen muss sich ein Bild des Schreckens geboten haben. Die Wohnung war vermüllt und dreckig, überall lagen blutige Papiertüch­er und Lappen herum. Auf einer Matratze lag die Leiche der 46-Jährigen. Rainer M., so schildert es ein Polizeibea­mter im Gerichtssa­al, habe einen wirren Eindruck gemacht, er habe von einer „schlimmen Nacht“gesprochen. Zunächst, sagt die Gerichtsvo­llzieherin als Zeugin, habe Rainer M. gesagt, er habe schlecht geschlafen, auch seiner Freundin gehe es „nicht so gut“.

Sollte die Schwurgeri­chtskammer unter Vorsitz von Susanne RiedelMitt­erwieser den Angeklagte­n wegen Vergewalti­gung mit Todesfolge verurteile­n, droht ihm eine lange Haftstrafe. Für dieses Verbrechen sieht das Strafgeset­zbuch eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren vor. Auch eine lebenslang­e Gefängniss­trafe ist theoretisc­h möglich. Bei einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit des Täters kann die Strafe aber auch unter den zehn Jahren liegen. Ob der Angeklagte voll schuldfähi­g ist oder nicht, soll im Prozess per Gutachter geklärt werden. Rainer M., der von Anwalt Marco Müller verteidigt wird, ist Frührentne­r und stand seit Jahren unter amtlicher Betreuung. Die 46-Jährige, eine gebürtige Kenianerin, hinterließ mehrere Kinder. Ein Sohn von ihr tritt als Nebenkläge­r auf und wird von Anwältin Marion Zech vertreten. Der Prozess wird am Montag fortgesetz­t. * Name geändert

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Foto: Jörg Heinzle Hinter dieser Wohnungstü­r spielte sich der Fall ab.

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