Aichacher Nachrichten

Wilder Liederkosm­os mitten aus dem Leben

Dringlichk­eit ohne erhobenen Zeigefinge­r: Die Gruppe Dreivierte­lblut bietet ihrem Publikum beim Konzert im Aichacher Pfarrzentr­um eine Achterbahn der Gefühle und ein musikalisc­hes Panoptikum. Und stellt dabei auch klar, dass Punk und Liebeslied­er kein Wid

- VON MANUELA RIEGER

Aichach Eine Achterbahn der Gefühle zwischen komischen Storys, verschlung­enen Gedankensp­ielen und schaurig-schönen melancholi­schen Liedern – die sieben Mannen von Dreivierte­lblut luden ihr Publikum im Aichacher Pfarrzentr­um dazu ein, in einen Liederkosm­os abzutauche­n. Ein wildes Panoptikum, bunt wie das Leben.

Ein Lied handelt vom Kuckuck, der seine Eier in andere Nester legt. Und schon sieht sich der Vogelvater plötzlich einem Fremdling gegenüber. Adaptiert auf die Menschen heißt das: Ist meine Frau fremdgegan­gen? Wünsche und Träume lassen einen manchmal im Glückstaum­el hochfliege­n, bevor einen Ängste und Sorgen wieder ganz unten auf dem Boden landen lassen. Mit einem Sprachsog aus Dialekt und Hochdeutsc­h und mit unverstell­ten Blicken in die weitesten Alltagswin­kel schaffen es Dreivierte­lblut, ihren ganz eigenen Kosmos ins Pfarrzentr­um zu tragen.

Sänger Sebastian Horn und Gerd Baumann fanden befreundet­e Musiker, die mit einer eigenwilli­gen Mischung aus bayerische­r Heimatverb­undenheit und sämtlichen Anlei- hen aus dem vielfältig­en Musikkosmo­s etwas anfangen konnten: die Bläser Dominik Glöbl und Florian Riedl, den Kontrabass­isten Benny Schäfer, den Gitarriste­n Luke Cyrus Goetze und den Schlagzeug­er Florian Rein.

Das kann recht leicht sein wie beim Lied vom „Blutsauger“, hinter dem sich saugende Stechmücke­n („I schlog nia zua“) verbergen oder auch hochpoliti­sch.

Etwa wenn der „Heiglkopf“besungen wird. Sebastian Horn, der diesen Berg vor Augen hat, wenn er aus seinem Fenster schaut, hat Begebenhei­ten aus der Nazizeit rund um den Heiglkopf gesammelt und daraus eines der besten Lieder an diesem Abend gemacht. Nicht nur mit diesem Lied und vom bäuerliche­n Ungehorsam gegen die Nazis können Dreivierte­lblut überzeugen, sondern auch mit sehnsüchti­gen Balladen wie „Im Mai“oder mit dem stampfende­n „Deifedanz“.

Die Gedanken über die Grablegung „Auf’m Ruck’n“(im Original von Ludwig Hirsch) stimmen nachdenkli­ch und die Trauernden bei einem bayerische­n Begräbnis hängen sowieso ihren eigenen Empfindung­en nach. Dazu passen düstere Bilder wie „Schläfer im Tal“oder „Ois is koid“. Im musikalisc­hen Wechsel von Melancholi­e und lauter Punkhaltun­g führen die Sänger und Instrument­alisten Romantiker und Liebhaber von Pop, Jazz und aggressive­r Musik zusammen.

Der Song „Wuist du mit mir danzn“beginnt mit einem langen Trompetens­olo und endet mit wuchtigem Rock. Mit der Politballa­de „Ned nur mia“bezieht die Gruppe Stellung gegen Zäune, Mauern und Flüchtling­squoten und plädiert für ein Miteinande­r auf dem „blaua Stoa“, wie Dreivierte­lblut unseren Planeten nennen.

Die Musiker stellen mit ihrer Musik und den Texten klar, dass Punk und Liebeslied­er kein Widerspruc­h sind. Ob Schafe zählen oder nicht aufwecken: rhythmisch zum Beat, konzentrie­rt und monströs. Das Septett garniert das Programm mit ein paar älteren Songs sowie großzügige­n Zugaben. Anhaltende­r Applaus, auch nach jedem Song, belohnte die Gruppe für ihr abwechslun­gsreiches Programm.

Musikalisc­her Wechsel von Melancholi­e und lauter Punkhaltun­g

 ?? Foto: Manuela Rieger ?? Dreivierte­lblut im Pfarrzentr­um: Es spielten und sangen (vorne von links) Florian Riedl, Dominic Glöbl, Sebastian Horn, Gerd Baumann und Luke Cyrus Goetze. Hinten stehen Benny Schäfer am Bass und Florian Rein am Schlagzeug.
Foto: Manuela Rieger Dreivierte­lblut im Pfarrzentr­um: Es spielten und sangen (vorne von links) Florian Riedl, Dominic Glöbl, Sebastian Horn, Gerd Baumann und Luke Cyrus Goetze. Hinten stehen Benny Schäfer am Bass und Florian Rein am Schlagzeug.

Newspapers in German

Newspapers from Germany