Ensemble mit viel Charme
Das Balé Teatro tanzt in Augsburg
Der Eindruck, den das Balé Teatro Guaíra mit dem Tanzprojekt „Wachter/Winkler/Scafati“auf der Brechtbühne hinterließ, wurde seinem Ruf gerecht: Es zählt zu den richtungsweisenden Kompanien des passionierten Tanzlandes Brasilien. Im Vorjahr folgten drei in Deutschland tätige Choreografen der Einladung zur Zusammenarbeit mit dem Ensemble. Nun sind die Tänzer mit der Produktion auf Gastspielreise.
Das Ensemble verfügt über eine hohe darstellerische Präsenz sowie ein großes technisches Vermögen im zeitgenössischen Tanz. Am besten sah man das in dem AvantgardeQualität aufweisenden Stück des in Berlin agierenden Christoph Winkler. Im Titel „lost my choreografer on the way to the dressing room“liefert er gleich die Interpretation mit. Die Energie der fünf Solisten füllte den Raum, hier Höchstleistungen, dort Mini-Bewegungen bis zur Zwerchfellkontraktion. Verhandelt wurde der kräftezehrende Prozess von Geben und Nehmen in der Beziehung von Choreograf und Tänzer. Wie organisiert sich der Akt des kreativen Schaffens, wie grenzt man sich als Tänzer-Instrument von übergriffiger Manipulation ab, wie gestaltet man die Impulse, wie können Bewegungsmuster fortentwickelt werden, ohne sich als eigenständiges Individuum zu verlieren?
Den Verlust von Identität und die gefährlichen Konsequenzen des Teilens und Mitteilens umspielte Katja Wachters Choreografie für zwei Tänzerpaare in einer feinen Balance von Humor und Drastik. Brillant die Bilder, die bald auch den Zusammenhang von Beziehungsunfähigkeit und Follower-Wahn in der Spannung von „Likes“und „Dislike“herstellten.
Roberto Scafatis choreografische Handschrift legte die emotionalen Qualitäten des routiniert ausgespielten Mixes aus Neoklassik und Modern frei. Der ehemalige Ulmer Ballettchef lüftete das Geheimnis von „Charme“, den man hat oder nicht. Dabei präsentierte er zum Finale das komplette, zehnköpfige brasilianische Projekt-Ensemble, das über viel Charme verfügt. Ein starker Abend, dem intensiver Beifall im nicht ausverkauften Haus folgte.