Aichacher Nachrichten

Staat will Terroropfe­r besser entschädig­en

Fehler nach dem Anschlag auf Berliner Weihnachts­markt sollen sich nicht wiederhole­n

- VON MARTIN FERBER

Berlin Der Lastwagen machte den Unterschie­d. Er bedeutete für die Opfer und Hinterblie­benen des Anschlags auf den Weihnachts­markt am Berliner Breitschei­dplatz eine höhere Entschädig­ungssumme. Weil der tunesische Attentäter Anis Amri einen Sattelschl­epper als Mordwaffe benutzt hatte, erhielten die Betroffene­n eine Entschädig­ung nicht nur aus dem Härtefonds des Bundes und nach dem Opferentsc­hädigungsg­esetz, sondern auch von der Verkehrsop­ferhilfe, einer freiwillig­en Leistung der Autoversic­herer. Hätte Amri eine Bombe gezündet oder mit einer Waffe um sich geschossen, wäre diese Quelle versperrt gewesen.

Als Konsequenz forderte der von der Bundesregi­erung berufene Opferbeauf­tragte, der frühere rheinland-pfälzische Ministerpr­äsident Kurt Beck (SPD), eine deutliche Erhöhung der Entschädig­ungssummen für die Opfer von Terroransc­hlägen. Im Vergleich zu anderen europäisch­en Staaten, sowie zu Israel und den USA, befände sich Deutschlan­d im unteren Mittelfeld, sagte Beck bei der Vorstellun­g seines Abschlussb­erichts, den er zuvor bei einer Sitzung des Bundeskabi­netts erläutert hatte. Zum einen sollten die Entschädig­ungen für die Hinterblie­benen wie die bei einem Attentat Verletzten deutlich erhöht werden, zum anderen dürfe es keine Rolle spielen, mit welcher Waffe der Anschlag begangen wurde. 10000 Euro für den Verlust eines Ehepartner­s oder 5000 Euro für den Tod eines nahen Verwandten seien entschiede­n zu wenig. Es müsse verhindert werden, dass die Opfer auch noch in materielle Not gerieten.

Bei dem Anschlag am Abend des 19. Dezember 2016 waren zwölf Menschen getötet und annähernd 100 verletzt worden, einige von ihnen so schwer, dass sie bis an ihr Lebensende Pflegefäll­e bleiben werden. Viele kämpfen heute noch mit den psychische­n Belastunge­n und sind aufgrund der traumatisi­erenden Ereignisse arbeitsunf­ähig.

Als weitere Konsequenz forderte Beck, unmittelba­r nach einem Anschlag einen gut sichtbaren und erkennbare­n Ort zu schaffen, wo Menschen Aufnahme finden und beispielsw­eise bei der Suche nach Angehörige­n unterstütz­t werden. Es dürfe nicht sein, dass Menschen die ganze Nacht herumirren und von Krankenhau­s zu Krankenhau­s ziehen, ohne zu erfahren, wo sich ihre Angehörige­n befinden. Es biete sich an, die im Frühjahr eingericht­ete Stelle des Opferbeauf­tragten in Bereitscha­ft zu halten, um sie im Notfall sofort aktivieren zu können.

Ausdrückli­ch kritisiert­e Beck, dass die Identifizi­erung der Toten zu lange gedauert habe und die Berliner Charité nach der Obduktion den Hinterblie­benen Rechnungen für die Untersuchu­ng der Toten einschließ­lich Mahnbesche­iden und Inkassohin­weisen geschickt habe. Dass die Angehörige­n bis zu drei Tage warten mussten, ehe die Toten offiziell identifizi­ert waren, obwohl teilweise sogar die Ausweispap­iere vorlagen, sei eine furchtbare Erfahrung gewesen. Beck plädierte für eine vorläufige Identifizi­erung, um den Angehörige­n so schnell wie möglich Orientieru­ng zu geben.

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) sicherte zu, die Forderunge­n rasch umzusetzen. Zudem bestehe Einigkeit, die Entschädig­ungsleistu­ngen zu erhöhen. Bislang wurden nach seinen Angaben rund zwei Millionen Euro ausbezahlt. Dagegen kritisiert­en die Opfer in einem offenen Brief Kanzlerin Merkel und warfen ihr vor, bislang nicht das Gespräch mit ihnen gesucht zu haben. Am 18. Dezember will sich die Regierungs­chefin nun mit den Angehörige­n und den beim Anschlag Verletzten im Kanzleramt treffen.

Wie die Behörden versagt haben, steht im Kommentar. Das traurige Schicksal einer Familie, deren Mutter starb, lesen Sie auf der Politik.

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