Dutzende Patientinnen missbraucht
Sie kamen mit Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen in seine Praxis, doch ein 49-jähriger Arzt untersuchte die Frauen im Intimbereich. Der Prozess fiel kurz aus
Immer wieder kommt es vor, dass Ärzte ihre sexuellen Bedürfnisse auf Kosten ihrer Patientinnen befriedigen: Im Oktober wurde in Bamberg ein Chefarzt des dortigen Klinikums zu fast acht Jahren Haft verurteilt, weil er sich nach Überzeugung des Gerichts an zwölf Frauen vergangen hatte. In Ansbach steht gegenwärtig ein Allgemeinmediziner vor dem Landgericht, angeklagt des Missbrauchs von Patientinnen in 122 Fällen. Und in Augsburg musste sich gestern vor einem Schöffengericht ebenfalls ein bekannter Allgemeinmediziner wegen Missbrauchsvorwürfen verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, Patientinnen völlig unnötig im Intimbereich untersucht und eingecremt zu haben, auch wenn diese beispielsweise an Haarausfall litten oder über Schwindelanfälle klagten.
Es wurde ein überraschend kurzer Prozess. Für den promovierten Mediziner endete er mit einer Be- von beinahe zwei Jahren. Außerdem muss der Verurteilte 10 000 Euro als Geldauflage an das Frauenhaus und den Verein „Wildwasser“zahlen. Dem Richterspruch war auf Anregung von Florian Engert, seines Verteidigers, eine Absprache mit Staatsanwaltschaft und Gericht vorausgegangen.
Im Fall seines Geständnisses war dem 49 Jahre alten Mediziner von Richterin Susanne Scheiwiller eine Strafe von maximal zwei Jahren auf Bewährung zugesichert worden. Anders als noch vor der Polizei bestritt der Arzt daraufhin die Tatvorwürfe nicht länger – womit er den Frauen, die ihn angezeigt hatten, eine für sie peinliche Zeugenaussage erspart hat. Wie der Angeklagte über seinen Verteidiger zugab, hat er zwischen 2014 bis 2017 sechs Patientinnen in seiner Praxis wiederholt sexuell missbraucht. Im Urteil werden 30 Fälle erwähnt.
Obwohl noch mehr Missbrauchsfälle anhand beschlagnahmter Patientenunterlagen belegt sind, gibt es Frauen, die darauf verzichtet haben, den Arzt bei der Polizei anzuzeigen. Auch, weil sie ihm schriftlich ihr Einverständnis für eine Untersuchung ihres Unterleibs gegeben hatten. Dazu war ihnen als Alwährungsstrafe ternative zur klassischen Schulmedizin geraten worden.
Die Frauen, die dann mit nacktem Unterkörper auf einen gynäkologischen Stuhl Platz nahmen, mussten dann erleben, wie der Angeklagte sie im Intimbereich eincremte und mit Fingern in sie eindrang. Bei einer Patientin tastete der Angeklagte die Brust nach verdächtigen Knoten ab, obwohl sie eigentlich wegen Kreislaufproblemen und juckender Kopfhaut in die Praxis gekommen war. Nach Feststellung zweier von der Staatsanwaltschaft hinzugezogener Gutachter handelte der Angeklagte in allen angeklagten Fällen ohne medizinische Indikation. Der Arzt habe sich die Einwilligungen aus sexuellen Motiven „erschlichen“, heißt es im Urteil.
Der 49-Jährige muss jetzt dafür auch privat büßen. Im Zuge der Ermittlungen hat er in diesem Jahr seine Praxis verkauft und die kassenärztliche Zulassung zurückgegeben. Frau und Tochter haben sich von ihm getrennt.